Der Backfischturm ist eine feste Institution auf dem Fischmarkt in Stuttgart. Foto: Lichtgut - Ferdinando Iannone/Ferdinando Iannone

Tausende Besucher sind zum Start des Fischmarkts in Stuttgart auf das Fest geströmt – und haben ein paar Klassiker und neue Trends ausprobiert.

Die Freude, sich nach zwei Jahren Corona-Zwangspause wiederzuhaben, ist auf beiden Seiten spürbar. Die Stuttgarter lieben den Hamburger Fischmarkt, strömten in den ersten Tagen zu Tausenden auf den Karlsplatz. Und die norddeutschen Gäste scheinen sich in der Schwabenmetropole besonders wohl zu fühlen. „Ich bin begeistert von Stuttgart, in dieser Innenstadt ist immer Leben drin, ich fühle mich hier pudelwohl“, sagt Sven, der den Stand von „Käse-Fred“ unterhält.

Alle 33 Hamburger Fischmärkte in Stuttgart hat er mitgemacht. Wer wegen seiner bekannt originellen Verkaufsreden den Karlsplatz besucht, muss in diesem Jahr den richtigen Moment erwischen. Denn Sven hat diesmal nur einen einzigen Mitarbeiter dabei und ist mehr mit Kisten schleppen beschäftigt, als nur den Marktschreier spielen zu können.

Personalknappheit ist ein echtes Thema bei vielen Ständebetreibern. An der „Jever-Stube“ hängt ein Schild „Bedienungspersonal gesucht“. Chefin Rita hofft, dass kurzfristig noch ein paar Interessenten anbeißen. Bis dahin muss neben ein paar vorhandenen Helfern vor allem die Familie den Getränkestand schmeißen. „Mann, Sohn, Tochter – alle müssen ran“, sagt die Mutter der Kompanie.

Ausreichend Servicekräfte sind es beim nahegelegenen „Weinkontor“, wo neben Wein vor allem „Inge“ der Schlager bei den Besuchern ist. Dieses Mixgetränk aus Ingwer und Prosecco, als „erfrischend scharf und sexy“ beworben, „ist ein richtiges Sommergetränk, eine Alternative zu Aperol Spritz und sehr gefragt beim Publikum“, sagt Kellnerin Anne. Seit zehn Jahren ist sie an Bord, auch ihr gefällt es hier: „Es ist immer nett, nach Stuttgart zu kommen.“

Neben Ausgefallenem wie „Inge“ lebt der Hamburger Fischmarkt vor allem durch seine Kultstätten. Ganz im Mittelpunkt: die Sylter Backfisch-Rutsche. Um den rot-weißen Leuchtturm herum ist ständig viel los. Die Besucher zücken reihenweise ihre Handys und halten mit Bild oder Video fest, wie im ersten Stock das Seelachsfilet im Bierteigmantel gebraten und dann durch die Wendelrutsche nach unten auf den Bedientisch geschickt wird, ehe es zusammen mit Remoulade oder Knoblauchsoße dem Kunden serviert wird. „Wie haben wir es die letzten zwei Jahre vermisst. Wir kommen jedes Mal als erstes hier her“, freut sich ein Ehepaar.

Leichte Entzugserscheinungen hatte auch Dieter Bruhn, bekannt als „Aale-Dieter“. „Schön, dass man seine Stammkunden wieder sehen kann. Man hat ja mit vielen schon eine echte Verbundenheit über Jahre“, sagt der Fischhändler, der auch noch keine Veranstaltung in Stuttgart verpasst hat. Dass seine Räucheraale und sein Lachs heutzutage oftmals zusammen mit einem gemeinsamen Foto über den Ladentisch gehen, stört das Hamburger Unikum nicht. „Das mit den Selfies zusammen mit den Kunden gehört mittlerweile zum Geschäft“, sagt der 83-Jährige, dessen Zuhause seit 1959 der Fischmarkt in Hamburg ist.

Viel Liebe für Labskaus

Elvira, Geli, Dieter und Hartmut, vier Fischmarkt-Besucher aus Korntal-Münchingen, haben sich am Stand von Anke Rehberg dazu überreden lassen, eine Portion Labskaus zu probieren. „Wir kommen zwar jedes Jahr in den Norden, aber getraut haben wir uns noch nie.“ Bislang haben die vier immer einen Bogen um das typisch norddeutsche Seemannsgericht gemacht. Aber heute erliegen sie dem Charme der Wirtin, die sagt: „Wenigstens einmal im Leben muss man Labskaus gegessen haben – wenn nicht aus Überzeugung, dann aus Mitleid.“

Nach dem Verzehr des Rindfleisch-Kartoffelgemischs, garniert mit Roter Bete, Rührei und einem Bismarckhering, sind die vier Schwaben positiv überrascht: „Echt lecker!“ Vier junge Männer aus Ditzingen haben diese Erfahrung schon öfters gemacht. „Das kriegt man sonst nirgendwo“, sagen sie und haben den Fischmarkt-Ausflug ihrer Firmenabteilung ganz gezielt am Labskaus-Stand begonnen. Danach gehts weiter zu einem der vielen anderen Stände, die unzählige kulinarische Genüsse und auch ganz viel fürs Auge zu bieten haben.

Die Besucher am Freitagabend sind jedenfalls so glückselig, dass auch das kleine „Sammelschiff“ am Stand der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Seebrüchiger den ein oder anderen Euro abbekommt. „Wir leben von Spenden, und viele werfen was rein“, freut sich Sebastian Volckmann, der die Organisation vertritt.

Noch bis 17. Juli dauert die 33. Auflage des Hamburger Fischmarkts auf dem Stuttgarter Karlsplatz an.