Die Zahlen über die Höhe der gestundeten Steuern für die Firmen sind ein Alarmsignal, sagt die Stuttgarter FDP-Bundestagsabgeordnete Judith Skudelny. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Während Firmen weiter auf Coronahilfen warten, verzichtet der Staat auf dasEintreiben fälliger Steuern in Milliardenhöhe. Die FDP sieht in den Zahlen ein Alarmsignal.

Stuttgart - Der deutsche Staat hat Unternehmen zwischen Mitte März und Ende 2020 Zahlungsaufschub für fällige Steuern in Höhe von 22 Milliarden Euro eingeräumt und damit siebenmal so viel wie im gesamten Jahr 2019. Dies geht aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine kleine Anfrage der Stuttgarter FDP-Abgeordneten Judith Skudelny zurück, die unserer Zeitung vorliegt.

Vier Milliarden Euro sind noch offen

Da die Stundungen in der Regel nur für drei Monate gewährt werden, ist ein großer Teil der aufgeschobenen Forderungen inzwischen eingetrieben. Gleichwohl beliefen sich die wegen der Stundung offenen Steuerforderungen Ende des vergangenen Jahres noch immer auf 4,36 Milliarden Euro.

Geradezu explodiert sind die Stundungen im Jahresverlauf bei der Umsatzsteuer. Hier gab es zwischen Mitte März und Ende 2020 Aufschübe von 16,1 Milliarden Euro – rund 170-mal so viel wie im gesamten Vorjahr zuvor. Bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer verdoppelte sich die Summe fast von 2,9 auf 5,6 Milliarden.

Auch Erbschaftsteuer wird gestundet

Zu den aufgeschobenen Abgaben gehörten auch Erbschaft- und Grunderwerbsteuer. Die Erbschaftsteuer war vor wenigen Jahren mit dem Ziel reformiert worden, den Betrieben im Erbfall nicht zu viel Substanz zu entziehen. Aus dem gleichen Grund wird nun die Erhebung dieser Steuer in viermal so großem Maß ausgesetzt wie im Jahr zuvor. Die Finanzämter haben hier zwischen Mitte März und Ende 2020 auf Zahlungen von insgesamt 357 Millionen um in der Regel drei Monate zunächst verzichtet, bei der Grunderwerbsteuer waren es 234 Millionen Euro. Auch hier hat sich der Betrag gegenüber dem Gesamtjahr 2019 rund vervierfacht.

Skudelny: Firmen kriechen auf dem Zahnfleisch

Die Stuttgarter FDP-Abgeordnete Judith Skudelny sieht in den hohen offenen Steuerforderungen ein „Alarmsignal für den Zustand der deutschen Wirtschaft“. Wenn Unternehmen nicht einmal mehr die Liquidität hätten, um angenommene Fremdgelder wie die Umsatzsteuer abzuführen, brauche man „kein Frühwarnsystem, um zu erkennen, dass diese auf dem Zahnfleisch kriechen“. Von ihnen gehe eine Ansteckungsgefahr auf gesunde Firmen aus. Deshalb wirke sich das Chaos, das Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bei der Auszahlung der Coronahilfen angerichtet hätten, „verheerend“ aus.