Firat Arslan beim Einlauf in die Göppinger EWS-Arena. Foto: Baumann

Firat Arslan träumt auch nach dem Remis gegen Sefer Seferi weiter vom nächsten WM-Titel. Aber: Kann der 48-Jährige den Kampf gegen das Alter gewinnen?

Göppingen - Es ist ja so eine Sache mit Träumen im Sport. Sie können einen Athleten begeistern, bewegen, beflügeln. Sie können ihn aber auch täuschen. Über die aktuelle Form. Über das eigene Potenzial. Über die Zukunftsaussichten. In einer solchen Traumwelt zu leben, kann gefährlich sein. Vor allem für einen Boxer.

Firat Arslan ist einer der Athleten, die für ihren Traum leben. Aber auch einer, dem die Zeit davon läuft. Der Ex-Weltmeister der WBA im Cruisergewicht (bis 90,7 kg) ist 48 Jahre alt, und er sehnt sich danach, noch einmal den WM-Titel in einem der vier großen Verbände zu gewinnen. Wie realistisch dieses Ziel ist? Darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Erst recht nach dem jüngsten Auftritt von Arslan.

4500 Zuschauer feiern Arslan

In Göppingen traf der Deutsch-Türke am Samstag auf den Albaner Sefer Seferi. 4500 Zuschauer feierten Arslan bei seinem Heimspiel, und viele von ihnen schimpften über das Urteil der drei Punktrichter (115:113, 114:114, 114:114). Auch Arslan zeigte Unverständnis über das Unentschieden. „Ich hatte ganz eindeutig die klareren, härteren Treffer“, sagte er, „ich bin traurig, weil ich mich als Sieger gesehen habe.“

In der Tat hätten die Punktrichter auch für Arslan werten können, ohne dass dies ein Fehlurteil gewesen wäre. Einerseits. Andererseits verdeutlichte der Kampf, dass der Abstand zwischen Arslan und seinem eigenen Anspruch größer zu werden scheint. Er träumt vom WM-Titel. Und boxt doch nicht mehr auf allerhöchstem Niveau.

Verschließt er die Augen vor der Realität?

Willkommen in der Wirklichkeit.

Arslan selbst tut sich schwer damit, die Realität zu akzeptieren. Er glaubt weiter fest an sich und seine Stärke, obwohl ihm sehr wohl bewusst ist, dass der Zeitpunkt, an dem er den Kampf gegen das Alter verlieren wird, schon bald kommen könnte. „Ich habe gegen Seferi einen großen Kampf gezeigt. Trotzdem bin ich überzeugt, mich noch mal steigern zu können“, sagt er, „aber es muss jetzt natürlich schnell gehen.“

Arslan ist 48 Jahre alt und topfit. Seferi hat ihn nach dem Duell „Maschine“ genannt und gemeint: „Er ist ein Ausnahmeboxer, wie ich noch keinen anderen gesehen habe.“ Und dennoch wurde sichtbar, dass das Alter nicht mal an einem wie Arslan spurlos vorbei geht. Im Ring hatte er sich die eine oder andere Auszeit genommen, ein paar erstaunliche Luftlöcher geschlagen, die hohe Frequenz der Vergangenheit nicht mehr erreicht. Und obwohl Seferi auch schon 39 und nicht sonderlich explosiv ist, landete sogar er einige Treffer durch Arslans Doppeldeckung hindurch. Kein Wunder also, dass es auch Kritik gab.

Klare Worte aus dem Verband

Thomas Kuenzel, ein alter Weggefährte Arslans, der mittlerweile Funktionär beim Bund Deutscher Berufsboxer (BDB) ist, meinte: „Firat kann froh über das Urteil sein. Er hat zu wenig geschlagen, war nicht entschlossen genug. Sportlich muss er sich immer noch nicht verstecken, aber als Freund sage ich, dass eben jeder Weg irgendwann zu Ende geht.“ Noch deutlicher wurde einer, dessen Wort durchaus Gewicht hat im deutschen Boxsport.

Erol Ceylan wurde 2016 und 2017 vom BDB als „Promoter des Jahres“ ausgezeichnet, er half seinem Freund Arslan dabei, den Kampfabend in Göppingen auf die Beine zu stellen. Die Bühne, welche die EWS-Arena bot, lobte Ceylan. Nicht aber den Hauptdarsteller. „Firat hat sich zu wenig gezeigt, den Gegner stark gemacht. Ich habe seine Führhand und Schläge zum Körper vermisst“, urteilte der Promoter. „So hat er nicht mehr das Zeug, um noch einmal Weltmeister zu werden. Angesichts dieser Leistung werde ich ihm nicht empfehlen, in einem WM-Kampf seine Gesundheit zu riskieren, sondern stattdessen aufzuhören.“

Arslans (Alb)Traum vom großen Gegner

Ob Arslan den Rat annimmt? Ist offen. Zumal Ceylan gleichzeitig betonte, dass ein WM-Kampf im Verband WBO aufgrund der guten Ranglistenposition von Arslan realistisch wäre. „Allerdings sind sämtliche Gegner, die möglich wären, richtige Hammertypen“, erklärte der Boxmanager. „Gegen sie müsste Firat Arslan anders kämpfen. Ganz anders.“

Um kurz vor dem Ende der Karriere nicht noch einen Albtraum zu erleben.