„Seid verschwunden, Millionen“: Das Bischofshaus in Eichstätt – Schauplatz dubioser Geschäfte. Foto: dpa

Können Geistliche mit Geld umgehen? Wer die dubiosen Transaktionen im beschaulichen Eichstätt betrachtet, dem könnten Zweifel kommen. Jetzt soll aufgeklärt werden. es geht um 60 Millionen Euro.

Eichstätt - Die bayerische Diözese Eichstätt hat durch ungenügend überwachte und wohl auch kriminelle Geldgeschäfte bis zu 60 Millionen Euro verloren; das entspricht etwa einem Sechstel ihrer Finanzanlagen. Zwei Beschuldigte sitzen in Untersuchungshaft. Das bestätigten am Dienstag Generalvikar Isidor Vollnhals und der von der Kirche eingeschaltete Münchner Rechtsanwalt Ulrich Wastl. Dieser kritisierte, die Diözese habe „allzu lange an kirchenüblichen Leitungsstrukturen festgehalten – und an dem Prinzip: Vertrauen ersetzt Kontrolle.“

Auf die Unregelmäßigkeiten gestoßen war die Eichstätter Kirche selbst, der Bischof Gregor Maria Hanke 2015 eine finanzielle Transparenzoffensive unter erstmaliger Einschaltung externer Wirtschaftsprüfer verordnet hat. Herausgestellt hat sich dabei nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen Folgendes: Zwischen 2014 und 2016 hat ein „leitender Angestellter“ der diözesanen Vermögensverwaltung etwa 60 Millionen US-Dollar als „Kredite“ an dubiose Immobiliengesellschaften in Texas überwiesen; eingefädelt hatte das offenbar ein deutscher Bekannter in den USA, mit dem der Beschuldigte auch gemeinsame Geschäfte zur Selbstbereicherung angebahnt haben soll. Beide sind vor zehn Tagen inhaftiert worden. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt.

Der Finanzchef hatte von Finanzen keine Ahnung

Zwar wurden die Überweisungen in Eichstätt nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ vom Finanzdirektor der Diözese gegengezeichnet; dieser aber soll ein Geistlicher ohne jegliche Erfahrung in Geldgeschäften gewesen sein. Gegen diesen Priester, so Rechtsanwalt Wastl, werde jedenfalls nicht ermittelt: „Er könnte ja getäuscht worden sein.“ Drei Monate nach der fristlosen Entlassung des Mitarbeiters hat auch der geistliche Finanzdirektor Ende 2016 seinen Posten geräumt.

Der Vermögensverwaltungsrat der Diözese, das frühere Kontrollgremium, musste nach damaligem Rechtsstand nicht eingeschaltet werden. Das sei zwar „ein Fehler im Mechanismus“ gewesen, sagt Anwalt Wastl, das Team hätte nach der kameralistischen Bilanzierung von damals aber auch kaum verifizieren können, ob der von der Finanzdirektion berichtete Stand des kirchlichen Vermögens korrekt war: „Da stand halt immer nur eine Summe, und die hat keiner überprüft.“

In die USA überwiesen wurden die Millionen ohne jegliche Sicherung, etwa durch Eintragung der fraglichen Immobilien ins Grundbuch. Das heißt: Die Chance, das Geld zurückzubekommen, ist wohl nicht allzu hoch. Derzeit wären Kredite im Wert von 21,5 Millionen Euro fällig – ihre Rückkehr ist bisher nicht in Sicht. Immerhin scheinen die behaupteten Grundstücke zu existieren: Um das zu überprüfen, sind Anwalt Wastl und Diözesanvertreter eigens nach Dallas gereist.

Jetzt wird kontrolliert – mit eiserner Hand

Mittlerweile, so Wastl, seien die diözesanen Kontrollen stark verbessert worden. Ein neues, „sehr komplexes“ Statut, das demnächst in Kraft gesetzt werden soll, regle die Verantwortlichkeiten der Gremien neu; auch habe Bischof Hanke die „glasklare Vorgabe“ erlassen, „Geistliche von der Vermögensverwaltung fernzuhalten“. Im neuen Vermögensgremium der Diözese säßen nur mehr Fachleute von außen. Als Ergebnis der Transparenzoffensive will die Diözese in drei Monaten eine umfassende finanzielle Eröffnungsbilanz nach dem Standard des Handelsgesetzbuchs veröffentlichen, wie er auch für weltliche Kapitalgesellschaften gilt.

Mit rund 402 000 Katholiken ist die Diözese Eichstätt im Altmühltal eines der kleinsten deutschen Bistümer. Das Territorium reicht von Ingolstadt im Süden bis in die ersten Stadtviertel des evangelischen Nürnberg. Die beschauliche Barockstadt mit dem gotischen Dom und mit ihren nur 13 500 Einwohnern ist auch Standort der einzigen Katholischen Universität in Deutschland.