Die Reform trifft vor allem große Geldhäuser wie die Deutsche oder die Commerzbank, aber auch die Landesbanken. Foto: dpa

Nach jahrelangem Tauziehen haben sich die Aufsichtsbehörden der wichtigsten Wirtschaftsmächte auf höhere Eigenkapitalvorschriften für Banken geeinigt. Die Institute in Europa befürchten Nachteile gegenüber der US-Konkurrenz.

Frankfurt - Angesichts neuer Vorschriften für die Finanzbranche warnen Banken und Sparkassen vor Nachteilen für die Kunden. Es sei „nicht ausgeschlossen, dass negative Konsequenzen auf das Kreditangebot für Unternehmen und Privatkunden in Europa auftreten“, erklärte der Branchenverband Deutsche Kreditwirtschaft am Donnerstag zu den Beschlüssen internationaler Bankaufseher in Frankfurt.

Verteuern könnten sich nach Einschätzung von Daniel Quinten, Bankenexperte bei der Beratungsgesellschaft KPMG, beispielsweise Kredite für den Bau von Mehrfamilienhäusern. Für die Eigenheimfinanzierung erwarte er zwar „keine größere Veränderung“, sagte Quinten dieser Zeitung. Aber: „Bei Wohngebäuden, die von Investoren gebaut und vermietet werden, würde ich schon erwarten, dass die Kapitalunterlegung für Kredite steigt.“ Die endgültigen Folgen hängen allerdings stark von den jeweiligen Finanzierungsbedingungen ab. So erwartet der Deutsche Sparkassen- und Giroverband trotz aller Kritik an der Reform bei Wohnbaukrediten eher eine Entlastung.

Deutsche Großbanken brauchen im Schnitt wohl zehn Prozent mehr Eigenkapital

Sicher scheint: Viele Geldhäuser werden ihre Geschäfte künftig mit mehr Eigenkapital unterfüttern müssen. Die Bundesbank hatte in einer Schätzung Mitte November den Mehrbedarf für große deutsche Banken auf durchschnittlich zehn Prozent, für die kleinen und mittleren Institute allerdings auf weniger als ein Prozent veranschlagt. Diese Schätzung erfolgte auf Grundlage einer Kompromisslinie, die am Donnerstag nun tatsächlich von den Chefs der Notenbanken und Finanzaufsichtsbehörden von gut zwei Dutzend Industrie- und Schwellenländern abgesegnet wurde. Die im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht zusammengeschlossenen Staaten vollendeten damit ein seit Jahren umstrittenes Regelwerk unter dem Titel Basel III. Die Änderungen treten ab 2022 in Kraft.

Krisenprävention ist das Ziel

Eigenkapital ist das Geld, das die Anteilseigner einer Bank einbringen – also beispielsweise Aktionäre oder Genossenschaftler. Wird dieser Sockel durch Verluste aufgezehrt, so werden auch andere Gruppen in Mitleidenschaft gezogen: Gläubiger zum Beispiel, also andere Banken oder Investoren, die dem kriselnden Institut Geld geliehen haben. Weil damit die Gefahr einer Kettenreaktion besteht, ist in der Finanzkrise vielfach der Staat zur Rettung notleidender Banken eingesprungen.

Um die Steuerzahler in Zukunft zu schonen, hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht den Instituten nach der Krise bereits eine kräftige Aufstockung ihrer Kapitalpuffer verordnet. In Deutschland ist die durchschnittliche Kernkapitalquote laut Bundesbank von neun Prozent im Jahr 2008 auf zuletzt 16,6 Prozent gestiegen.

Institute könnten Zinsen oder Gebühren erhöhen

Die Höhe dieser Quote allerdings hängt nicht nur von der Menge des Eigenkapitals, sondern auch von der Bezugsgröße ab. Das ist die „risikogewichtete Bilanzsumme“, die sich nach Ausfallrisiko und möglicher Verlusthöhe der einzelnen Bilanzposten richtet. Viele Risiken sind künftig höher einzustufen als bislang. Entsprechend müssen sie auch mit mehr Eigenkapital unterlegt werden. Dazu müssen die Banken ihre Anteilseigner um mehr Geld bitten oder ihre Einnahmen steigern. Ein Mittel dafür wären Preissteigerungen, etwa in Form höherer Kreditzinsen.

Eine andere Möglichkeit ist, dass sich einige Banken oder Sparkassen aus Geschäften, die mit viel Eigenkapital unterlegt werden müssten, zurückziehen. „Dass es zu einem Einbruch bei der Kreditvergabe kommt, davon gehe ich nicht aus“, sagt Dirk Müller-Tronnier, Experte für Finanzdienstleistungen bei Ernst& Young. „Ein ordentlicher Mittelständler, der kreditwürdig ist, der findet weiterhin Kreditgeber. Die Frage ist halt, zu welchem Preis.“

Stabile Banken sind auch für den Mittelstand von Vorteil

Die Reform sei gleichwohl im Interesse der Unternehmen, meint Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin: „Als erstes sind stabile Banken für den Mittelstand wichtig.“ Deshalb begrüßt Schäfer auch, dass die Spielräume großer Geldhäuser bei der Einstufung von Risiken eingeschränkt werden. Während die meisten Kreditinstitute für ihre Berechnungen den vom Baseler Ausschuss vorgegebenen Standardansatz verwenden, arbeiten die Großbanken mit maßgeschneiderten Modellen. Dadurch ergeben sich meist niedrigere Eigenkapitalanforderungen als im Standardansatz. Nach den neuen Basel-Beschlüssen darf die Abweichung nach unten höchstens noch 27,5 Prozent betragen.