In der Koblenzer Zentrale der Versicherungsgruppe ist man sich keiner Schuld bewusst. Foto: Debeka, Mauritus

Die Versicherungsgruppe Debeka steht in der Kritik, weil sie einen älteren Kunden falsch beraten haben soll – kein Einzelfall, meinen Verbraucherschützer.

Brüssel - Auf die Debeka ließ er nichts kommen. Zu dem örtlichen Mitarbeiter des Unternehmens hatte er eine über Jahrzehnte gewachsene Geschäftsbeziehung. Fast 50 Jahre lang hatte der mittlerweile 75-jährige Studiendirektor a.D. bei dem Unternehmen etliche Versicherungen abgeschlossen, darunter die Private Krankenversicherung für die fünfköpfige Familie, Bausparverträge, diverse Lebensversicherungen. Immer fühlte er sich hervorragend bedient. Auch wenn es darum ging, für sich oder seine Kinder eine Immobilie zu finanzieren, war die Debeka erste Adresse.

Als Michael G. vor einigen Wochen nach kurzer schwerer Krankheit starb, musste sich die Witwe erstmals in ihrem Leben einen Überblick über die finanzielle Lage verschaffen. Wie in vielen Familien, die Ende der 60er Jahre gegründet wurden, waren zwischen ihr und ihrem Mann die Aufgaben so verteilt, dass vor allem er die Finanzgeschäfte führte. Als sie schließlich in den Akten auf einen Vertrag über eine private Rentenversicherung stieß, den ihr Ehemann zweieinhalb Jahre vor seinem Tod abgeschlossen hatte, kamen ihr schnell Zweifel, ob er diesmal von der Debeka so gut beraten worden war. Den Unterlagen zufolge hatte er im August 2014 eine Rentenversicherung abgeschlossen und einen Einmalbetrag von 50 000 Euro eingezahlt. Nach sechs Jahren sollte er wählen können zwischen einer garantierten Kapitalabfindung von 53 147 Euro oder einer monatlichen Rentenzahlung von 300,83 Euro für die Dauer von zwölf Jahren. Das, so hatte es ihm sein Berater mit Textmarker gelb angestrichen, entspreche nach Abzug der Kosten einer Verzinsung von 1,89 Prozent jährlich. In diesen Zeiten anhaltend niedriger Zinsen kein schlechtes Geschäft, so schien es.

Die Abschluss- und Vertriebskosten waren doppelt so hoch wie der Ertrag

Als er nun starb, sah die Rechnung etwas anders aus. Nach 26 Monaten Laufzeit bekommt seine Witwe nun 50 730,77 Euro ausgezahlt, also magere 730 Euro mehr, als der Einmalbetrag 2014 ausmachte. Dies entspricht einer Verzinsung von etwa 0,5 Prozent pro Jahr. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Alles ist rechtlich korrekt, der Kunde wurde umfassend informiert. Es fragt sich aber, ob der 73-Jährige gut beraten war, auf den Tipp seines Debeka-Vertreters zu vertrauen.

Tatsächlich hat die Debeka ihm ein Produkt verkauft, bei dem die Kosten die Erträge auffressen. An Abschluss- und Vertriebskosten wurden ihm 1372,69 Euro in Rechnung gestellt. Das ist etwa doppelt so viel wie der Ertrag in Höhe von 730 Euro. Als Verwaltungskosten, die zwar nicht eigens erhoben, aber zur Kalkulation dazu gehören, werden einmalig zusätzlich noch 549,16 Euro genannt sowie in den ersten sechs Jahren jeweils 32,69 Euro.

Zu den hohen Kosten kommen Vertragsbestandteile, die den Eindruck nahe legen, dass diese Rentenversicherung bei einem über 70-Jährigen als Sparprodukt ungeeignet ist. In den ersten Jahren war nicht einmal Kapitalerhalt garantiert. Bei Tod des Anlegers ein Jahr nach Vertragsabschluss im Alter von 75 – im Falles eines Mannes, der bei Vertragsabschluss mehrere Krebserkrankungen hinter sich hatte – nicht gerade unwahrscheinlich, hätte die Witwe sogar einen Verlust von 4300 Euro gemacht. Wäre es da nicht besser gewesen, dem Mann anzuraten, die 50 000 Euro bei Minizinsen auf die Bank zu legen? Zudem stellt sich die Frage nach dem Sinn einer Rentenversicherung: Braucht ein Pensionär, der über eine Pension von knapp 4000 Euro monatlich verfügt, noch eine private Rentenversicherung, die ihm zwischen dem 79. und 91. Lebensjahr ausgezahlt wird? Die Witwe hat einen Fachanwalt für Finanzprodukte kontaktiert. Er sieht Anhaltspunkte für eine Verletzung der Beratungspflicht. Man könne die Wiedergutmachung eines Schadens in Höhe von 2000 Euro gerichtlich durchsetzen. Die Witwe hat sich dagegen entschieden, sie hat jetzt andere Sorgen.

Die Debeka kann die Kritik nicht nachvollziehen

Verbraucherschützer glauben, dass dies kein Einzelfall ist. Gerade bei älteren Kunden nutzten Berater die über Jahre gewachsenen Geschäfts- und Vertrauensbeziehungen aus, um zweifelhafte Finanzprodukte zu verkaufen. Viele ältere Menschen schauten nicht mehr so genau hin, weil ihnen das Geld locker sitzt und sie wissen: Es geht ohnehin meist an die Erben.

Die Debeka kann die Kritik nicht nachvollziehen. Schließlich sei „der Vertragsabschluss“ seinerzeit von dem Kunden „ausdrücklich gewünscht“ worden, das hätten die „Mitarbeiter vor Ort“ bestätigt, heißt es in einer Stellungnahme aus der Koblenzer Unternehmenszentrale. Es gebe zudem etwa steuerliche Gründe, warum sich „auch im Ruhestand befindliche Personen für eine private Rentenversicherung entscheiden“. Die Debeka lege es auch nicht darauf an, einseitig Profite bei langjährigen Kunden zu machen: „Die Debeka ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.“ Das Unternehmen sei ähnlich wie Genossenschaften nur dem Kunden verpflichtet. „Die Debeka besteht damit nur für ihre Mitglieder – und nicht etwa für Aktionäre oder Investoren.“