Trübe Aussichten in Böblingen: Als der Gemeinderat jüngst in der Kongresshalle tagte, lautete die Botschaft bei den Finanzen: „Land unter“. Foto: factum/Simon Granville

Angesichts eines Steuerausfalls von 37,8 Millionen Euro muss Böblingen den Kurs ändern – aber wohin?

Böblingen - Das Wort historisch fiel in der Gemeinderatssitzung am Mittwochabend mehrmals. Damit bezeichnete der Böblinger Kämmerer Sascha Schneider den Einbruch der Steuereinnahmen von geschätzt 75 auf 37,8 Millionen Euro, also um etwa die Hälfte. Dieser Einbruch ist sogar noch stärker als der Einschnitt in der Finanzkrise 2008/2009 – damals waren es 30 Millionen Euro gewesen –, und er trifft auf eine konjunkturelle Entwicklung, die ihren Höhepunkt gerade überschritten hat.

Bei den Einbußen durch die Corona-Pandemie sind die stark sinkenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer die Hauptsache, aber sie sind längst nicht alles. Sascha Schneider beschrieb in der Sitzung in der Böblinger Kongresshalle genau, welche Auswirkungen der Lockdown auf die verschiedenen Sektoren des Haushalts hat.

Der Stadt fehlen Steuern

Weil die Kindertagesstätten geschlossen waren, fehlt der Stadt eine halbe Million Euro an Gebühren, darüber hinaus brachen die Eintrittsgelder aus Kulturveranstaltungen weg, was allerdings mit rund 4000 Euro ein vergleichsweise bescheidener Posten ist. Neben der Gewerbesteuer fehlen der Stadt auch andere Steuereinnahmen – etwa die Vergnügungssteuer, die in Kneipen und bei Festen anfällt; das Stadtfest ist ja abgesagt, ebenso wie das Fest am See.

Demgegenüber hat die Corona-Krise ein paar Ersparnisse gebracht, etwa bei der Reinigung und der Beheizung städtischer Gebäude: Posten, die entfielen, weil die Bürogebäude geschlossen waren. Dazu kommt noch die Corona-Soforthilfe von von 700 000 Euro, die das Land Baden-Württemberg beisteuert. Rechnet man alles gegeneinander auf, kommen die Mitarbeiter der Böblinger Kämmerei auf ein Minus von rund 32,8 Millionen Euro.

Daraus ergibt sich zwingend eine Neuorientierung der städtischen Finanzen, die Sascha Schneider im Gemeinderat mit einem Schiff auf hoher See verglich. Selbst wenn man jetzt das Ruder herumreiße, würde sich der Kurs des Schiffs aufgrund seiner Trägheit noch lange nicht ändern. Denn die Stadt hat in den zurückliegenden guten Haushaltsjahren einige große Projekte begonnen, die sie jetzt nicht einfach stoppen kann.

Teuer ist auch der Straßenbau rund um die A 81

Dazu zählt die Sanierung der Böblinger Schulen, der Brandschutz in den öffentlichen Gebäuden, die Qualitätsoffensive bei den Kindertagesstätten und der teure Straßenbau rund um die A 81, wo mit einem Deckel über die Fernstraße das größte Verkehrsproblem in der Stadt ein für alle mal gelöst werden soll.

Ebenso wenig Spielraum hat die Stadt bei den Personalkosten, bei ihren Abschreibungen und natürlich bei ihren Ausgleichszahlungen. Bei einem Volumen von 189,7 Millionen Euro im laufenden Haushalt ist höchstens ein Viertel kurzfristig beeinflussbar, also 46,5 Millionen Euro. Die Kämmerei schätzt, dass davon etwa zehn Prozent sofort eingespart werden können, und bei genauerer Betrachtung der Zahlen ist es für Sascha Schneider realistisch, in nächster Zeit eine Summe von etwa drei bis 4,75 Millionen Euro einzusparen.

Abseits von ihren Projekten muss die Stadt auch für die Formalien tätig werden und einen Nachtragshaushalt vorlegen; einen, der genehmigungsfähig ist, wohlgemerkt, und dem man den Versuch anmerkt, die Finanzen zu konsolidieren. Das bedeutet nicht nur für die Kämmerei eine Menge Mehrarbeit, sondern auch für den Gemeinderat. Er muss für die Zeit von Mai bis September diesen Nachtragshaushalt beschließen und auch den Haushaltsplan 2021 neu fassen – und das, obwohl es keine verlässlichen Daten über die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und der Welt gibt. Sascha Schneider fasste es so zusammen: „Wir fahren auf Sicht.“