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Es dürfte sein letzter großer Auftritt im Amt sein: Ministerpräsident Günther Oettinger wird heute im Landtag eine Grundsatzrede über die katastrophale Finanzlage des Landes halten.

Stuttgart - Willi Stächele ist ein Mensch, der die Gemütlichkeit über alles schätzt. Nach getaner Arbeit mit einem guten Tropfen anstoßen, das ist für den Mann aus Oberkirch ein Stück Lebensqualität. Das hat er schon bewiesen, als er noch Statthalter des Landes in Berlin und damit Gastgeber diverser Veranstaltungen war. Nun, im Amt des Finanzministers und in Zeiten leerer Landeskassen, sind die Gelegenheiten zum Zuprosten selten geworden. Im Gegenteil: Je tiefer die Löcher im Landesetat werden und je lauter die Kritik am mangelnden Sparwillen des obersten Kassenwarts wird, desto mehr reagiert Stächele verschnupft.

Und so kommt es schon mal vor, dass der Finanzminister erbost bei Journalisten anruft und sich über deren kritische Berichterstattung äußert. So geschehen schon früher – und nun erneut im Dezember vergangenen Jahres, wie erst jetzt bekanntwurde. Stächele hatte den Entwurf für den Landeshaushalt 2010 im Landtag eingebracht, die Rekordschulden von zwei Milliarden Euro verteidigt, dabei aber keine Sparvorschläge vorgelegt, worauf nicht nur die Opposition von SPD und Grünen kopfschüttelnd den enttäuschenden Auftritt kommentierten, sondern auch CDU-Anhänger kleinlaut zugaben, sie hätten "selten zuvor eine solch magere Haushaltsrede" gehört.

Entsprechend kritisch fiel das Presseecho aus. Aber Stächele mochte das offenbar nicht wahr haben und griff zum Hörer. In einem Fall dauerte das Gespräch mit dem erfahrenen Journalisten mehrere Minuten. "Er hat dem Verfasser des Artikels deutlich gesagt, was er davon hält", bestätigt Stächeles Sprecher den Vorgang. Schließlich wurde das Telefonat ergebnislos beendet. Zum selben Thema, also seiner Haushaltsrede, soll Stächele dann Kontakt mit dem "Reutlinger General-Anzeiger" aufgenommen haben, wie in der Medienszene diskutiert wird. Der Grund: Die Nachrichtenagentur dpa hatte zuvor einen Bericht über Stächeles Auftritt im Landtag verbreitet und dabei CDU-Abgeordnete zitiert, die Stächele eine "Fehlbesetzung" nannten. Das Blatt druckte tagsdrauf Teile der Agentur-Berichterstattung ab, der Text mit dem Begriff "Fehlbesetzung" war aber nicht dabei.

Valdo Lehari jun., Verleger des "Reutlinger General-Anzeigers" und zugleich Vorsitzender des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger, betonte am Montag auf Anfrage unserer Zeitung, er kenne Stächele persönlich, es habe "aber keine Intervention gegeben". Stächele selbst wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Für Insider zeigt der Vorgang, wie aufgeheizt die Stimmung in der CDU-FDP-Landesregierung derzeit ist. "Einige Minister sind offenbar nervös, weil sie nicht wissen, ob sie unter dem künftigen Ministerpräsidenten Stefan Mappus ihren Job behalten oder ausgewechselt werden", sagt ein führender CDU-Mann, der nicht genannt werden will. Allgemein wird erwartet, dass Mappus ein Jahr vor der Landtagswahl 2011 kaum Veränderungen vornehmen wird, um die Partei nach dem überraschenden Abschied von Günther Oettinger nicht noch mehr in Unruhe zu bringen. Auf jeden Fall macht Mappus aus seinem Personaltableau bisher ein Geheimnis. Die mögliche Erklärung: Bis zu seiner geplanten Wahl am 28. Januar im Landtag will er kein Risiko eingehen, dass einzelne Regierungsmitglieder vergrätzt werden und damit die einflussreichen CDU-Bezirksverbände mit einer Stimmungsmache beginnen.

Dass der 58-jährige Stächele weiter dem Landeskabinett angehört, in welcher Funktion auch immer, wird erwartet – zumal er Vorsitzender des einflussreichen Bezirksverbands CDU Südbaden ist. Nur zu gerne hätte Stächele heute bei der Haushaltsdebatte im Landtag das Wort ergriffen, um den schlechten Eindruck seines Auftritts vom Dezember zu korrigieren. Schon in den vergangenen Tagen machte er mehrfach mit Sparvorschlägen von sich reden. Mal regte er an, man könne dank der Föderalismusreform die Grunderwerbsteuer erhöhen, was 200 Millionen Euro Mehreinnahmen pro Jahr bringen würde. Ein anderes Mal schlug Stächele vor, man müsse das Landeserziehungsgeld auf den Prüfstand stellen. Wieder ein anderes Mal dachte er laut darüber nach, angesichts sinkender Schülerzahlen endlich den Mut zu haben, Lehrerstellen zu streichen. "Es ergibt sich zwangsläufig ein geringerer Bedarf an Lehrkräften." Das Ziel, so seine Botschaft, sei die Senkung der dramatischen Personalkosten des Landes. Allein für 2010 machen sie rund 40 Prozent des Landeshaushalts aus.

Das Problem: Welchen Sparvorschlag der Finanzminister auch auf den Tisch legte, er erntete Ablehnung. Und das macht Stächele und sein Gefolge zunehmend mürrisch. "Einfach nur Nein zu sagen und keine Alternativen zum Sparen aufzuzeigen, bringt uns nicht weiter", heißt es aus seinem Ministerium an die Adresse der Kritiker. So warten sie gespannt auf den Auftritt des Ministerpräsidenten heute im Landtag bei der Haushaltsdebatte. "Oettinger wird eine präsidiale Rede halten und dazu aufrufen, sein Ziel der Nullverschuldung au Dauer nicht aus den Augen zu verlieren", vermutet ein Insider, "aber wir müssen es umsetzen, wenn er längst in Brüssel ist".