EZB-Präsident Mario Draghi Foto: dpa

Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise sorgte die Europäische Zentralbank für Beruhigung: Sie versprach, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu kaufen. Ob das erlaubt war, soll nun der Europäische Gerichtshof prüfen.

Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise sorgte die Europäische Zentralbank für Beruhigung: Sie versprach, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu kaufen. Ob das erlaubt war, soll nun der Europäische Gerichtshof prüfen.

Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht lässt das umstrittene Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Ankauf von Staatsanleihen vom Europäischen Gerichtshof prüfen.

Das deutsche Verfassungsgericht geht davon aus, dass die EZB mit dem sogenannten OMT-Progamm ihre Kompetenzen überschritten habe. Der 2012 beschlossene Plan der Notenbank gilt als Hauptgrund für die Beruhigung der Eurokrise.

Mit einem am Freitag veröffentlichten Beschluss legen die Karlsruher Richter ihren Luxemburger Kollegen hierzu eine Reihe von Fragen vor. Die EZB reagierte mit einer knappen Stellungnahme: "Die EZB unterstreicht erneut, dass das OMT-Programm im Rahmen ihres Mandats ist."

Im OMT-Beschluss ("Outright Monetary Transactions") ist vorgesehen, dass die EZB Staatsanleihen von Mitgliedstaaten in theoretisch unbegrenzter Höhe ankaufen kann, sofern sich diese Staaten im Rahmen der Euro-Hilfsmaßnahmen zu Einsparungen und Strukturreformen verpflichten. Bislang ist es noch nie zu Anleihekäufen nach diesem Beschluss gekommen.

Märkte beruhigten sich

Der Beschluss, der auf eine Rede von EZB-Präsident Mario Draghi folgte, gilt aber als entscheidender Einschnitt in der Euro-Krise: Die Ankündigung der Möglichkeit unbegrenzter Anleihekäufe im September 2012 sorgte bereits für eine Beruhigung der Märkte.

Dennoch sprechen nach Auffassung des Zweiten Senats gewichtige Gründe dafür, dass der OMT-Beschluss über "das Mandat der Europäischen Zentralbank für die Währungspolitik hinausgeht". Denn die EZB dürfe nach den Europäischen Verträgen keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben.

Außerdem gehen die Richter davon aus, dass der Beschluss gegen das im europäischen Recht festgeschriebene Verbot einer Mit-Finanzierung von Staatshaushalten verstößt. Das würde eine "offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung" bedeuten.

Die Karlsruher Richter halten es jedoch für möglich, den OMT-Beschluss einschränkend auszulegen, so dass er mit EU-Recht vereinbar wäre. Eine Voraussetzung dafür könnte nach ihrer Einschätzung etwa eine Begrenzung der Ankäufe sein. Das muss jetzt der EuGH prüfen - er ist dabei jedoch an keine Empfehlungen gebunden.

Richter betreten Neuland

Es ist das erste Mal in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts, dass die Karlsruher Richter dem EuGH eine Rechtsfrage zur Prüfung vorlegen. Das Bundesverfassungsgericht war in der Vergangenheit kritisiert worden, weil es sich auch in Fragen der europäischen Integration eine Prüfungskompetenz vorbehält.

Mit ihrer Entscheidung haben die Verfassungsrichter den umfangreichen Prozessstoff aus den zahlreichen Klagen gegen die Euro-Rettungsmaßnahmen geteilt: Während die Frage der EZB-Kompetenzen nun in Luxemburg geklärt wird, soll eine Entscheidung über die deutsche Beteiligung am permanenten Rettungsschirm ESM ("Europäischer Stabilitätsmechanismus") am 18. März verkündet werden.

Bereits im September 2012 hatte das Gericht im Eilverfahren die deutsche Beteiligung am ESM unter Auflagen gebilligt. Der Beschluss vom Freitag war auch innerhalb des Zweiten Senats umstritten: Zwei Richter stimmten gegen die Entscheidung. Sie halten die Anträge der Kläger gegen das OMT-Programm für unzulässig.

Beim Europäischen Gerichtshof lag die Anfrage aus Karlsruhe am Freitag noch nicht vor. Von der Ankündigung eines nationalen Gerichts bis zur Vorlage in Luxemburg dauere es erfahrungsgemäß Tage bis Monate, erläuterte die Pressestelle. Vergleichbare Verfahren beim EuGH, bei denen ein nationales Gericht um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht bittet, dauern in der Regel knapp 16 Monate. Für dringliche Fälle gibt es die Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrens, bei dem das Urteil meist nach vier bis sechs Monaten verkündet wird.