Im Finanzgericht sollen Aktenordner bals der vergangenheit angehören Foto: dpa

Das Finanzgericht Baden-Württemberg ist Vorreiter bei der elektronischen Akte. Das soll es für Kläger und Richter einfacher machen.

Stuttgart - Eine einfache Email oder eine WhatsApp werden auch künftig nicht reichen, um gegen den Steuerbescheid oder die Streichung des Kindergeldes zu klagen. Aber über einen gesicherten Zugang können sie ihre Unterlagen elektronisch beim Finanzgericht Baden-Württemberg einreichen. Durch die Digitalisierung sollen die Verfahren vereinfacht werden – zum Nutzen von Bürgern und Gerichten. Von diesem Mittwoch an werden Klagen beim Finanzgericht in Stuttgart nur noch als elektronische Akten angelegt, in der Außenstelle Freiburg ist die Umstellung für Mitte Oktober geplant. Kläger können ihre Unterlagen weiterhin auf Papier einreichen, diese werden dann jedoch eingescannt und sind für Richter, Anwälte und andere Befugte künftig elektronisch abrufbar. Für das Pilotprojekt wurden alle 49 Richter am Finanzgericht Baden-Württemberg im vergangenen Jahr mit speziellen Notebooks ausgestattet und weitergebildet.

Akteneinsicht wird einfacher

Die ersten Erfahrungen mit der neuen Technologie seien positiv, sagte Artur Weckesser, Präsident des Finanzgerichts, am Dienstag in Stuttgart. Zum einen könnten über den elektronischen Weg alle Beteiligten leichter Einblick in die Akten nehmen, zum anderen spare man Servicepersonal. Unterlagen müssen nicht mehr kopiert und verschickt werden, Kläger, Anwälte und Steuerberater nicht mehr teils lange Wege in Kauf nehmen, um Akteneinsicht zu nehmen.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg ist das erste Gericht im Südwesten, das komplett auf elektronische Akten umstellt. Auch ein zweites Pilotprojekt soll ausgebaut werden: der Video-Chat am Arbeitsplatz, der beispielsweise für Erörterungstermine genutzt werden soll. Diese Technik nützt vor allem, wenn die Beteiligten weit weg von Stuttgart oder Freiburg leben.

In 80 Prozent einvernehmliche Lösung

Erörterungstermine spielen beim Finanzgericht eine große Rolle. 2017 wurde in knapp 80 Prozent der Verfahren die Klage zurückgenommen oder der Rechtsstreit einvernehmlich beendet. Dazu tragen die Gespräche zwischen Richtern und Prozessbeteiligten viel bei. „Für die Beteiligten ist das kostengünstiger und in der Regel auch befriedigender“, sagte Weckesser.

Insgesamt sind 2017 beim Finanzgericht Baden-Württemberg 3388 Verfahren neu eingegangen, rund 500 weniger als ein Jahr zuvor. Einfache Fälle führen kaum noch zu Klagen, dagegen nehmen die schwierigen Fälle, etwa Betriebsführungs- und Steuerfahndungsfälle sowie grenzüberschreitende Fälle zu – eine Entwicklung, die auch bundesweit zu beobachten ist. Erledigt wurden 3542 Verfahren, so dass die Zahl der Altfälle weiter zurückging auf 3224. Davon sind 60 Fälle älter als drei Jahre. Die durchschnittliche Dauer der Klageverfahren verkürzte sich auf 12,9 Monate, 2016 waren es noch 13,7. Monate. Bei den verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz stieg sie von 4,5 auf 5,3 Monate.