Satt gefüllte Girokonten gehören für manche zu den erfreulichen Nebenwirkungen der Krise. (Symbolfoto) Foto: dpa/Angelika Warmuth

Teil-Lockdown, Lockdown, Reisebeschränkungen und Homeoffice: Während all das der Wirtschaft schadet, steigen die Beträge der Deutschen auf ihren Girokonten stark an. In der Krise wurde Studien zufolge wider Willen viel Geld angespart – auch in Baden-Württemberg. Wohin damit?

Stuttgart/Frankfurt - Während viele Branchen unter dem Joch des Coronavirus ächzen, häufen viele Deutsche krisenbedingt gewaltige Ersparnisse an. Das sagt eine Studie der DZ Bank mit Sitz in Frankfurt. Demnach haben die Deutschen im Jahr 2020 ganze 100 Milliarden Euro mehr gespart als im Vorjahr – wobei das Geld vor allem auf ihren Girokonten ruht. Eine Erhebung der Deutschen Bundesbank kommt mit 108 Milliarden Euro im Quartalsvergleich auf ganz ähnliche Zahlen. Michael Stappel, Ökonom der DZ Bank und verantwortlich für die Studie, sieht dafür vor allem zwei Gründe: „Einerseits wurden die Bürger vorsichtiger und haben vor allem größere Anschaffungen, wie ein Auto, erst einmal zurückgestellt. Andererseits war beispielsweise der Konsum durch die Lockdown-Maßnahmen massiv behindert.“

Was die Höhe des Ersparten angehe, sei 2020 darum ein historisches Rekordjahr. Insgesamt ist die Sparquote von 10,9 Prozent 2019 auf 16 Prozent des verfügbaren Einkommens im vergangenen Jahr gestiegen, sagen auch die jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts. „Das war die mit Abstand höchste Sparquote seit der Wiedervereinigung“, sagt Stappel. Dass die Sparquote so stark zugelegt habe, hänge aber auch damit zusammen, dass die Einkommen in der Krise relativ stabil geblieben seien.

Anstieg vor allem bei Rentnern und Beamten

Wobei dies laut dem DZ-Bank-Experten von Berufsgruppe zu Berufsgruppe deutlich variiere. Zu den Verlierern zählt er Schüler und Studenten, deren Aushilfsjobs – beispielsweise in der Gastronomie – wegfielen; oder Selbstständige und Freiberufler, die ihren Tätigkeiten aufgrund der Lockdown-Maßnahmen nicht nachkommen könnten und außer den staatlichen Hilfen teilweise keine Einkünfte hätten.

„Rentner betrifft die Corona-Krise bisher nicht. Eher im Gegenteil“, sagt Stappel. So sei die gesetzliche Rente zum 1. Juli 2020 in Ost und West deutlich angehoben worden. Auch auf das Einkommensniveau von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst habe die Krise bislang nur geringen Einfluss.

Bei anderen Arbeitnehmern sei das Bild nicht so einheitlich. Einerseits seien Angestellte im Dienstleistungssektor oder im Facheinzelhandel von Kurzarbeit betroffen und die exportstarke Industrie, wie sie in Baden-Württemberg zu finden sei, habe vor allem unter der ersten Lockdown-Phase gelitten, als Lieferketten wegen Grenzschließungen unterbrochen waren. „Betroffen waren vor allem die Autoindustrie mit Zulieferbetrieben oder der Maschinenbau“, sagt Stappel. Andererseits konnten viele Arbeitnehmer in privatwirtschaftlichen Unternehmen laut dem Ökonomen durch Überstunden und Sonderzahlungen zum Teil höhere Einkommen erzielen.

Auch in Baden-Württemberg wachsende Spareinlagen

Gesamtwirtschaftlich betrachtet habe das Coronavirus allerdings einen riesengroßen Schaden angerichtet. „Das Bruttoinlandsprodukt dürfte 2020 real um 5,1 Prozent eingebrochen sein“, sagt Stappel. Dazu habe vor allem auch der Rückgang der Konsumausgaben der privaten Haushalte um 5,7 Prozent beigetragen.

Sollte sich die Lage auch durch die Impfungen 2021 normalisieren, bestehe Hoffnung, auf einen „beginnenden Post-Corona-Boom, der den Konsum ankurbelt“.

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Die Voraussetzungen für Konsumfreude nach Corona wären auch laut dem Sparkassenverband Baden-Württemberg gegeben. „Wir können die Ergebnisse der Studie insofern nachvollziehen, als die Gesamtsumme des sogenannten Passivgeschäfts, also alle Sparanlagen, bei den 50 Sparkassen in Baden-Württemberg deutlich gestiegen ist“, sagt der Sparkassen-Verbands-Sprecher Stephan Schorn. Ende November 2020 hätten die Sparanlagen in Baden-Württemberg bei 157,1 Milliarden Euro gelegen; ein Jahr zuvor waren es noch 146,7 Milliarden Euro (plus sieben Prozent).

Stärkstes Wachstum innerhalb eines Jahres

So ein starkes Wachstum innerhalb eines Jahres habe es noch nie gegeben. „Natürlich fragen die Sparkassen ihre Kunden nicht, warum sie ihr Geld nicht ausgeben“, sagt Schorn. Aber die Begründung, dass es dazu derzeit viel weniger Möglichkeiten gebe, sei naheliegend.

Laut Michael Stappel von der DZ Bank ist es nicht ratsam, das Geld auf dem Girokonto ruhen zu lassen. Es anzulegen sei auf längere Sicht sinnvoller. Deutsche Anleger hätten im internationalen Vergleich aber zum Beispiel mit die geringsten Anteile an Aktienfonds. „Jetzt, wo bei vielen Geld für Investitionen da wäre, sparen die Deutschen aber umso mehr“, sagt Stappel.