Das Objekt der Begierde: Wer stemmt den Henkelpott am Sonntag in die Höhe? Die Spieler des FC Bayern München oder das Team von Paris St-Germain? Foto: dpa/David Ramos

Paris St-Germain fordert den FC Bayern im Champions-League-Finale. Es ist ein besonderes Duell, wie unser Vergleich zeigt: Geschichte, Strukturen, große Stars und zwei deutsche Trainer.

Stuttgart/Lissabon - Nur noch mal zur Erinnerung – auch das Finale der Champions League an diesem Sonntagabend zwischen Paris St-Germain und dem FC Bayern München (21 Uhr/ZDF) wird zum Geisterspiel, wobei das ja nie so ganz stimmt. Denn beide Clubs erhalten immer ein gewisses Kontingent an Tickets für ihre Mitarbeiter. An diesem Sonntag nun dürfen je 35 Personen aus München und Paris auf die Tribüne. Auf Bayern-Seite werden, wie zu hören ist, unter anderem der Präsident Herbert Hainer und sein Vorgänger Uli Hoeneß im Stadion des Lichts in Lissabon dabei sein und das Spiel der Spiele gebannt verfolgen – so wie viele Millionen Menschen am Fernseher oder anderen Geräten. Bühne frei also für das große Finale zweier großer und besonderer Clubs – mit diesen besonderen Merkmalen.

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Die Geschichte

Als der Club Paris Saint-Germain am 12. August 1970 gegründet wurde, da war der im Februar 1900 gegründete FC Bayern bereits 70 Jahre alt. Die Liste der Bayern-Erfolge auf internationaler Ebene ist lang. Sämtliche Europapokale stehen in der Vitrine im Clubzentrum an der Säbener Straße, zuletzt gab es den Champions-League-Titel im Jahr 2013. Der bisher größte internationale Erfolg von PSG war der Sieg im damaligen Europapokal der Pokalsieger in der Saison 1995/96.

Als dann vor neun Jahren die Qatar Sports Investments, Tochtergesellschaft des staatlichen katarischen Investmentfonds, bei PSG einstieg und den Club aufkaufte, waren die Ansprüche in Paris plötzlich die höchsten.

Der Triumph in der Königsklasse sollte her, in den Vorjahren aber kam PSG nie bis übers Viertelfinale hinaus. Der Einzug ins Endspiel in diesem Jahr ist also auch ein großer Triumph für den Clubpräsidenten, Scheich Nasser Al-Khelaifi – der ordentlich Geld in sein Lieblingsbaby steckt.

Die Struktur

Mehr als 1,5 Milliarden Euro hat der Staat Katar in den vergangenen Jahren für den großen Traum, Paris St-Germain an die Spitze des europäischen Fußballs zu führen, investiert. Bei PSG haben allein die beiden Superstars Neymar (222 Millionen Euro) und Kylian Mbappé (180) fast viermal so viel an Ablöse gekostet wie die elf Profis aus der Startelf des FC Bayern im Halbfinale gegen Olympique Lyon zusammen. Die Europäische Fußball-Union Uefa ließ die PSG-Investitionen prüfen, erkannte aber bisher keinen Verstoß gegen das Financial Fairplay.

Die Strukturen beim FC Bayern München sind anders. Gerne verweist der Rekordmeister auf sein berühmtes Festgeldkonto und den über die Jahrzehnte selbst erarbeiteten sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg. Der FC Bayern e. V. ist Hauptanteilseigner der FC Bayern AG. Der Mutterverein hält 75 Prozent der Anteile. Die restlichen Anteile (jeweils 8,33 Prozent) liegen bei den Werbepartnern adidas, Audi und Allianz. Mit großen Zahlen aber kennen sich die Münchner auch aus, so betrug der Jahresumsatz zuletzt knapp 750 Millionen Euro. Und auch zu Katar hat der FC Bayern eine enge Verbindung.

So ziert der Schriftzug der staatlichen katarischen Fluglinie Qatar Airways seit 2018 den Trikotärmel der Bayern-Profis. Die Werbepartnerschaft geht so weit, dass die Münchner inzwischen regelmäßig ihr Winter-Trainingslager in der Hauptstadt Doha abhalten – was nicht nur bei weiten Teilen der aktiven Münchner Fanszene für Verärgerung und Kritik sorgt. So duldet die katarische Erbmonarchie etwa keine kritische Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien, viele Gastarbeiter (vor allem auf den Baustellen für die WM im Jahr 2022) leben unter menschenunwürdigen Bedingungen. „Wir sind dort in Gesprächen mit der Regierung“, sagte Bayern-Präsident Herbert Hainer dazu zuletzt, „wir gehen an die Universitäten, sprechen mit den Menschen. Die Wahrheit ist doch, dass wir genau mit unserem Anspruch auch in Katar einen Beitrag leisten, die Dinge zu verändern.“

Dem Sponsor aus dem Emirat sind all diese Debatten egal – nachdem das Königsklassen-Finale zwischen PSG und dem FC Bayern feststand, knallten irgendwo am Persischen Golf vermutlich die Rosenwasser-Korken. Für Qatar Airways ist das Endspiel zwischen PSG und FCB gemäß Twitter-Eintrag nur der „Qlassico“.

Die Stars

Die Münchner Offensivabteilung kostete weniger Geld als die der Pariser, aber sie produziert Tore am Fließband: 42 sind es bisher in zehn Königsklassenpartien. Robert Lewandowski traf 15 Mal, Serge Gnabry neunmal. Weltmeister Thomas Müller ist unter Trainer Hansi Flick wieder unverzichtbar geworden. Im Tor steht mit Manuel Neuer ein weiterer Weltstar – wenn der flexibel einsetzbare Joshua Kimmich so weitermacht wie zuletzt, ist er auf dem Weg dahin.

Bei PSG, klar, dreht sich alles um die Superstars Neymar, Kylian Mbappé und Angel di Maria, die mit ihren Dribblings und Sprints Spiele entscheiden können. Apropos Sprints: bei Mbappé wurden schon einmal 38 Stundenkilometer gemessen.

Zum Vergleich: Usain Bolt lief 2009 bei der WM in Berlin mit einem Temposchnitt von 37,58 zum Weltrekord über die 100 Meter – sein Top-Speed: 44,72 Stundenkilometer. Am ehesten aufnehmen mit Kylian Mbappé kann es auf Bayern-Seite der Senkrechtstarter Alphonso Davies. Der Linksverteidiger kommt auf ein aktuelles Höchsttempo von 36,51.

Die Trainer

Was Thomas Tuchel bei Paris St-Germain bewegt hat, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Nie kam PSG trotz der Millionen aus Katar in der Königsklasse unter Tuchels Vorgängern Carlo Ancelotti, Laurent Blanc und Unai Emery bis übers Viertelfinale der Champions League hinaus. Jetzt steht der Finaleinzug – und eine Weiterentwicklung des Trainers. Er kann offenbar auch mit Superstars umgehen. Unter Tuchels Führung scheinen sich sogar Neymar und Mbappé der Teamtaktik unterzuordnen. „Thomas macht einen sensationellen Job“, sagt der Mann, auf den der ehemalige BVB-Coach an diesem Sonntag im Finale trifft. Und der in Lissabon selbst vor dem Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte steht.

Hansi Flick kam im Sommer 2019 als Assistent von Niko Kovac zum FC Bayern, im November übernahm er nach dessen Entlassung den Cheftrainerposten – und führte sein Team mit Besonnenheit, Empathie und einer klaren Offensivstrategie auf dem Platz zum Erfolg.

Seit 29 Pflichtspielen sind die Bayern ohne Niederlage, Flick holte mit seiner Mannschaft souverän das nationale Double. Und er legte jüngst mit seiner Elf beim 8:2 im Viertelfinale gegen den FC Barcelona einen internationalen Auftritt für die Ewigkeit hin. Nun könnte Hansi Flick der zweite Triple-Trainer des FC Bayern nach Jupp Heynckes (2013) werden.