Wieder ganz der Alte: Manuel Neuer Foto: AFP

Die Niederlage gegen Österreich macht Joachim Löw wütend, der Trainer bleibt mit Blick auf die WM aber gelassen. Die Nummer eins besteht ihren Test mit Bravour.

Klagenfurt - Die Frage nach den Qualitäten Südkoreas, dem dritten deutschen Gruppengegner bei der Fußball-WM in Russland, kam am Samstagabend im Klagenfurter Wörtherseestadion dann doch eher unerwartet. Der Bundestrainer aber parierte sie gelassen. Das sei gerade noch weit weg, sagte Joachim Löw, ehe er nach dem Ende der Pressekonferenz noch ungefragt ein Versprechen in Richtung des neugierigen asiatischen Kollegen abgab: „Vor dem Spiel gegen Südkorea beantworte ich dann alle Ihre Fragen – versprochen!“

Löw also ruhte irgendwie immer noch in sich, er blieb höflich, zum Schluss gab er gar den netten Jogi, und all das überraschte dann doch ein wenig. Denn die 1:2-Niederlage gegen Österreich samt eines teils desaströsen Auftritts in der zweiten Hälfte gab genügend Anlass zu Zorn und Ärger – und obendrein war nach dem Spiel klar, dass die Aufgaben für Löw knapp zwei Wochen vor dem ersten Gruppenspiel der nahenden Weltmeisterschaft am 17. Juni gegen Mexiko nicht weniger werden – in vielerlei Hinsicht.

Der endgültige Kader

Am Sonntag rauchten im Mannschaftshotel in Eppan die Köpfe. Die Sportliche Leitung der Nationalelf entschied, welche vier Spieler aus dem endgültigen Kader für die WM gestrichen werden, da an diesem Montag um 12 Uhr die Meldefrist beim Weltverband Fifa abläuft. „Keine schönen Stunden seien das“, sagte der Co-Trainer Thomas Schneider dazu – weil man eben vier Profis wehtun muss. Oder, wie es der Bundestrainer formulierte: „Da freut sich keiner, wenn morgens das Telefon auf dem Zimmer klingelt und ich dran bin.“ Joachim Löw, so ist der Plan, wird dem Streichquartett die enttäuschenden Nachrichten jeweils am Montagvormittag „zwischen neun und elf Uhr“ mitteilen.

Wen es trifft? Torhüter Kevin Trapp gehört zu den Kandidaten, die Abwehrspieler Jonathan Tah und Marvin Plattenhardt ebenso, dazu Mittelfeldmann Sebastian Rudy, die Offensivspieler Julian Brandt und Leroy Sané – und auch der Stürmer Nils Petersen kann sich trotz seines Startelfeinsatzes am Samstag nicht sicher sein. Fast schon vernichtend übrigens fiel Löws Fazit nach der Partie gegen Österreich aus. Kein einziger Spieler habe sich aufgedrängt, sagte er: „Alle waren waren weit entfernt von ihren Möglichkeiten.“

Der Torhüter

Deutschland hat verloren in Österreich, Manuel Neuer hat gewonnen. So lässt sich der Abend von Klagenfurt vielleicht zusammenfassen – denn die Nummer eins spielte wie eine echte Nummer eins. Neuer war nach 599 Tagen Pause in seinem ersten Länderspiel seit 2016 einer der besten Spieler auf dem Platz. Körpersprache, Paraden, Passspiel – Neuer agierte so, als wäre er nie weg gewesen.

Bei seinem ersten ernsthaften Einsatz nach dem erneuten Mittelfußbruch im September 2017 merkte man Neuer die Pause nicht an, weshalb nun klar sein dürfte, dass der Weltmeister als Nummer eins zur WM fährt. Der ultimative Härtetest ist bestanden. Oder, wie es der Stürmer Timo Werner, der sein erstes gemeinsames Länderspiel mit Neuer absolvierte, formulierte: „Jetzt weiß auch ich, warum dieser Mann Jahr für Jahr Welttorhüter wird.“

Die Lehren aus dem Testspiel

Es gab sie, die Warnungen vor der Partie. Joachim Löw hatte betont, dass seine Jungs nach den vielen intensiven Einheiten im Trainingslager nicht frisch seien und das Ergebnis für ihn Nebensache sei. Doch einen solchen Auftritt wie in Klagenfurt hatte Löw nicht erwartet. „Vieles war heute schlecht, es gibt vieles aufzuarbeiten“, sagte der Bundestrainer. Was er damit meinte, war klar: Fast schon zahllose einfache Ballverluste, eine schlechte Raumaufteilung, miserabel ausgespielte Konter, dazu eklatante Schwächen und Stellungsfehler in der Defensive: Die Mängelliste war lang, und sie verärgerte Löw, der aber auch das große Ganze, sprich den WM-Start in knapp zwei Wochen gegen Mexiko, im Sinn hatte – und deshalb weit davon entfernt war, so etwas wie die große Panik auszurufen.

Den Finger in die Wunde gelegt

Wenn man so will, legte der Coach den Finger in die Wunde, kurz und intensiv. Genauso schnell zog er ihn aber auch wieder raus. Pflaster drauf, abhaken, die Lehren daraus ziehen – und die Wunde richtig einordnen. Ein kleiner heftiger Schnitt war das 1:2 nach Löws Ansicht. Mehr nicht.

„Ich bin nicht tief besorgt“, sagte der Coach also, „wir werden präpariert sein in zwei Wochen.“ Löws Plan stand ja schon seit Längerem. Die nächsten Tage in Eppan und vor allem auch die fünf Tage in Moskau bis zum ersten WM-Spiel werde man zwingend brauchen, bis man in Topform sei, das betont Löw zurzeit immer wieder.

Der Betriebsunfall war also in gewissem Sinne sogar einkalkuliert; auch, weil in den geschonten Spielern Thomas Müller, Mats Hummels und Toni Kroos sowie Jérôme Boateng (Aufbautraining), am Samstag eine weltmeisterliche Achse fehlte, die für Löws Spiel unverzichtbar ist. Die deutsche Elf wird in der Formation von Klagenfurt so wohl nie wieder auflaufen – auch das relativiert einiges.

Der Fall Gündogan/Özil

Auch wenn es alle Beteiligten im Kreis der Nationalelf gerne so hätten und es auch bei jeder Nachfrage zum Thema in Eppan gerne so weismachen wollen: Die Diskussionen über Mesut Özil und Ilkay Gündogan und ihren umstrittenen Auftritt mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdogan ist auch zwei Wochen vor dem WM-Auftakt nicht beendet. Beim Test in Österreich gab es aus dem deutschen Fanblock vereinzelt Pfiffe, besonders gegen Gündogan. Man darf gespannt sein, wie die beiden nun beim Heimspiel gegen Saudi-Arabien am Freitag in Leverkusen empfangen werden – klar ist, dass der Fall Gündogan/Özil den DFB noch länger beschäftigen wird, als ihm lieb ist.

Teammanager Oliver Bierhoff jedenfalls warnte in der „Süddeutschen Zeitung“ vor weiterer Kritik an Özil und Gündogan. „Mesut und Ilkay sind junge Menschen. Man muss sie nicht auf ewig verdammen“, sagte er. „Es passiert auch hochqualifizierten und erfahrenen Politikern, dass sie ins Fettnäpfchen treten, dass sie Fehler machen oder falsche Symbole aussenden – und danach geht’s weiter. Für Fußballer sollten keine anderen Maßstäbe gelten.“ Politiker, die Fehler machen, als Vorbilder für Nationalspieler – es ist eine recht spannende These, die Bierhoff da aufstellt.