Die Programmmacherin Giovanna Thiery stammt aus Rom und lebt seit Jahrzehnten in Stuttgart Foto: Filmwinter

Mit den medialen Zeiten wandelt sich auch der Filmwinter. Giovanna Thiery erklärt, wo die Herausforderungen liegen.

Stuttgart - Der Stuttgarter Filmwinter widmet sich der Film- und Medienkunst und findet 2020 zum 33. mal statt.

Frau Thiery, Ihr Festival-Motto ist diesmal die Abwesenheit – was meinen Sie damit?

In den vergangen Jahren haben wir uns mit den Realitäten der durchmedialisierten Gesellschaft beschäftigt, in der scheinbar alles sichtbar ist. Jetzt wollen wir schauen, was nicht sichtbar oder nirgends repräsentiert ist. Es gibt auch Schnittstellen zwischen dem, was gesagt und gezeigt wird, und dem, was nicht gesagt gezeigt und gezeigt wird.

Was erwartet die Zuschauer?

Wir haben ein Programm zu Ritualen des Abschieds und eines namens „Digital Detox“, in dem es um Entgiftung von der digitalen Welt geht. Die Künstlerinnen Miriam Gossing und Lina Sieckmann bringen in der Stadtbibliothek 16 Filmrequisiten zum Sprechen mit Zitaten aus Melodramen der 50er Jahre. Da geht es um das Gespenstische im Film, um das, was man nicht sieht. Alfred Hitchcock und David Lynch zum Beispiel haben beide viel mit Abwesenheit gespielt.

Früher waren die Kurzfilme beim Filmwinter eine exklusive Sache, heute ist das Internet übervoll mit Bewegtbildern – wie wirkt sich das aufs Festival aus?

Manche Künstler stellen alles direkt Online, aber zuhause zu schauen ist eine völlig andere Art von Erfahrung, als wenn man die Filme mit anderen anschaut und der Künstler auch noch da ist. Dazu kommt, dass Youtube-Filmer experimentierfreudig sind und Teile des jüngeren Publikums daran gewöhnt ist, unorthodoxe Formate anzuschauen. Das nützt uns eher.

Haben die Menschen immer noch Sinn für Filmkunst?

Tatsächlich sind die Schnitte viel schneller geworden und die Geduld ist ein bisschen verloren gegangen. Darum haben wir in der Tri-Bühne eine Lounge eingerichtet, wo man die Schuhe ausziehen, sich hinlegen und ein gut kuratiertes Rahmenprogramm anschauen kann. Dort gibt es auch Kinderprogramm.

Sie sind seit einigen Jahren in der Tri-Bühne und im Fitz. Ist das für den Filmwinter eine Art Heimat geworden?

Das kann man so sagen. Die Theater eröffnen uns viele Möglichkeiten, vor allem im performativen Bereich. Es geht aber nicht nur um die Räume, sondern auch um die Leute dahinter, die genauso neugierig sind wie wir. Das ist eine sehr produktive Kooperation mit einem guten inhaltlichen Austausch.