Stadtdekan Christian Hermes gibt dem Film über den Papst das Prädikat wertvoll. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Kommunikation ist alles – vor allem in der Kirche. Dies wissen die Päpste seit jeher. Auf dieser Klaviatur spielt auch Franziskus in dem Wnders-Film „Ein Mann seines Wortes“ meisterhaft, wie Stadtdekan Christian Hermes nach einem Kinobesuch feststellt: „Der Papst ist eine prophetische Gestalt, die mit ihrem umwerfenden Charisma Zeichen setzt.“

Stuttgart - Christian Hermes weiß schon lange: Seine Kirche kann nicht mehr nur warten, dass Menschen kommen, um am Sonntag auf das gute Wort Jesu zu hören. Sie muss auch da sein, wo Menschen kommunizieren. Auf Twitter, Facebook oder im Internet. Das hat in der katholischen Kirche gute Tradition. Im Vatikan wissen sie seit jeher: Medien-Kommunikation ist alles.

Monsignore Hermes, der Stadtdekan, hat dies verinnerlicht. Und dennoch ist er nach einem Besuch im Kino „Cinema“ am Schlossplatz davon beeindruckt, auf welche Art und Weise sein Chef dies umsetzt. Im von Wim Wenders gedrehten Dokumentarfilm „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ sieht Hermes einen vollendeten Kommunikator. „Es hat mir sehr gut gefallen. Ich kann ihn jedem empfehlen“, sagt er.

Wie dem Stadtdekan geht es auch den anderen Kinobesuchern. Statt hastig nach der letzten Sequenz aus dem Saal zu stürmen, halten sie inne. Sie lauschen versunken den Streichern, die Film und den Abspann untermalen und sind tief bewegt. Hermes sagt nur: „Der Papst ist eine prophetische Gestalt, die mit ihrem umwerfenden Charisma Zeichen setzt.“ Nicht als Übermensch, sondern immer sehr greifbar und nah. „Er hat keine Scheu vor Berührungen. Er herzt und küsst Menschen – und lässt sich umarmen.“ In jedem Augenblick ist für Hermes spürbar, dass jede Silbe und jeder Augenaufschlag eine päpstliche „Herzensangelegenheit“ sei. Eine authentische Figur.

Hermes lobt Franziskus für dessen Kurs

Jorge Mario Bergoglio, den die Welt seit März 2013 als Papst Franziskus kennt, umarmt den Erdkreis, zeigt aber auch Kante. Gegen Waffenhändler, die er in einer Sequenz im US-Kongress geißelt. Gegen die Betonköpfe in seiner Kurie. Dass Franziskus auch in diesem Film eine arme Kirche im Sinne des Heiligen Franz von Assisi proklamiert und die ungerechte Verteilung des Weltvermögens ächtet, überrascht kaum. Ebenso wie sein Kampf gegen die gnadenlose Ausbeutung des Planeten, die in ihrer Wegwerfkultur auch Menschen entwürdigt. Doch dass er mit Homosexuellen fast toleranter umgeht als die meisten Evangelikalen und die Gleichstellung von Mann und Frau fordert, gefällt Hermes: „Er ist gegen alles, was ausgrenzt und ausschließt.“

Franziskus sowie viele Stuttgarter Katholiken inklusive ihres Oberhauptes verkörpern so eine neue Lesart des christlichen Lebens. Mission und Bekehrung seien perdu. Franziskus betont im Film, dass Gott auch den Hindu Mahatma Gandhi und den Atheist Martin Luther King liebe. Hermes ergänzt: „Wir gehen nicht mehr hin und sagen, das Christentum ist eine exklusive Wahrheit. Jeder soll den christlichen Glauben frei annehmen können. Ohne Manipulation, Zwang oder Verführung.“ Beide reißen damit die alten Mauern zwischen den Religionen nieder. Beide sind von einer christlichen-humanistischen Überzeugung getrieben, die festhält: Vorrang vor allem habe die persönliche Menschenwürde.

Beim Thema Humor auf einer Wellenlänge

In vielen Dingen ist der Stuttgarter Stadtdekan auf den Spuren des Fischers in Rom. Auch er liebt den Humor, um den der Papst im Film täglich in den Worten von Thomas Morus‘ Gebet bittet. Nur in einem Punkt kommt bei Hermes ein wenig Kritik auf. Ganz anders als die „romantisierenden Bilder des Films“ zeigen, sei Papst Franziskus auch in einer „sehr monarchischen Weise Oberhaupt dieser Kirche“. Und diese Macht übe er „im jesuitischen Style“ aus. Bedeutet: Gehorsam steht über allem. Hermes weiß jedoch nicht zuletzt seit seinen Erfahrungen mit seinem pastoralen Projekt „Aufbrechen“, „dass man Menschen heutzutage überzeugen und mitnehmen muss“. Damit steht und fällt für Hermes alles: „Gelingen seine angestoßenen Reformen oder nicht?“

Ohne die Umsetzung seiner Impulse in nachhaltige Strukturen, bleibe in dieser Organisation mit 1,2 Milliarden Mitgliedern sonst vieles Stückwerk. Nagelproben werden die Themen Ordination der Frau sowie die Zulassung von katholisch verheirateten nichtkatholischen Christen zur Eucharistie sein.

Ungeachtet dessen bleibt die große Botschaft des Papstes und seines Filmes: Er will alle Menschen ermuntern, dem Elend der Welt lautstark entgegenzutreten. „Das ist großes Kino, es gibt wohl kaum noch einen anderen Menschen auf der Welt, dem so viele Leute zuhören“, sagt Hermes und freut sich schon auf die Heimversion: „Schön, dass es diesen Film wohl bald als DVD gibt. Ich bin mir sicher, dass viele Religionslehrer diesen Film mit Freude erwarten.“