Der Ansturm der Zombies bringt Jane Austens bekannte Figuren in Bedrängnis: Flucht ist angesagt. Foto: Verleih

Was ist uns da bisher verschwiegen worden? Nach vielen Verfilmungen von Jane Austens Romanklassiker „Stolz und Vorurteil“ enthüllt diese neue nun endlich, dass in Elizabeth und Darcys Landadelswelt auch Untote mit im Spiel waren

Stuttgart - Ach wie gut, dass das endlich auf der Straße herumgeschrien und durchs Internet gepöbelt wird: Lügenpresse, Lügenpresse! Nun fliegt auf, dass Journalisten nichts anderes zu tun haben als die Wirklichkeit zu fälschen, die aber von besorgten Bürgern wieder rekonstruiert wird. Angela Merkel ist kein Mensch, sondern eine von Bilderbergern ferngesteuerte Maschine; die Kondensationsstreifen von Flugzeugen enthalten Chemikalien zur Knochenschwächung aufrechter Deutscher; nicht einige Amerikaner waren 1969 als erste Menschen auf dem Mond, sondern eine Kegelbruderschaft aus dem mecklenburgischen Niederbergewitze im Frühsommer 1928 mit dem Fahrrad.

Doch nicht nur das mediale Abbild der Gegenwart ist Lug und Trug, auch alles, was man uns über die Vergangenheit erzählt, ist von Fälschungen durchsetzt. Welches Geschichtsbuch etwa wagt zu erwähnen, dass es in der Geschichte Europas Zombieseuchen gab? Dass sich Scharen von Untoten aus den Gräbern wühlten, um den Lebenden das Hirn aus dem Schädel zu fressen?

Das besorgte Kino enthüllt

Zum Glück gibt es das besorgte Kino, das Unerhörtes über eine nur scheinbar vertraute Epoche zu schildern weiß. Burr Steers‘ „Stolz und Vorurteil & Zombies“ zeigt schonungslos deutlich, was Jane Austen in ihrem 1813 erstmals erschienenen Romanklassiker „Stolz und Vorurteil“ ausgelassen hat. Beziehungsweise, was Austen von den Handlangern der geheimen Erdregierung wieder herausgestrichen wurde.

Alle sind sie da, wie wir sie aus dem Buch und seinen Verfilmungen kennen: die Landedelleute mit ihrem Standesdünkel, die Gutsbesitzer mit ihren Kalkulationen, die Töchterchen mit ihren romantischen Hoffnungen. Auch bei Steers reibt sich, was das Herz möchte, an dem, was sich schickt und was Gewinn verspricht. Aber drum herum, rund um dieses Idyll der ständigen Zerwürfnisse in Salons und Gemütern, tappen, grunzen und morden die Zombiehorden.

Kleidung und Möbel als Zeugen

Mit Akribie und Sinnlichkeit, wie sie die feinsten der bisherigen Austen-Verfilmungen boten, wird der Alltag einer anderen Zeit rekonstruiert. Die Kleidung, die Möbel, alle Gebrauchsgegenstände treten auf wie Zeugen vor Gericht: Ja, sagen sie Szene um Szene, das ist alles wirklich passiert. Wobei die Kamera entschieden mehr Lust an den schattigen Winkeln einer Kerzenlicht-Epoche zeigt als viele frühere Varianten der Austen-Bebilderung.

In der Mitte der Bilder aber sitzen Elizabeth Bennet (Lily James aus „Cinderella“) und ihre Schwestern nicht beim Sticken, Häkeln, Lesen, sondern beim Schärfen von Klingen und Putzen von Pistolen. Auch die höheren Töchter jener Zeit müssen sich wehren können gegen Zombies. Die Begüterten lassen ihre Kinder in Asien in exotischen Kampftechniken trainieren. Gut Ausgebildete leben länger.

Das Proletariat wankt heran

Wer sich im Kopf noch nicht ganz vom alten Geschichtsbild frei machen, wer „Stolz und Vorurteil & Zombies“ nicht als Docu-Fiction begreifen kann, wird sich trotzdem unterhalten. Ganz in der aufsässigen Tradition des Zombiefilms vertreten die Monster auch hier das Proletariat und Subproletariat. Wie sie da heranwanken gegen die Herrenhäuser und Gartenzäune, bringt den Klassenkampf in Bilder.

Zwar waren nicht alle Untote im Leben Diener und Knechte. Auch einstmals feine Leute sind nun unfeines Fleischgewese. Aber das Genremotiv, dass jeder von den Untoten Gebissene rettungslos verloren ist, beschreibt ganz genau die soziale Mobilität der Austen-Ära. Für die Unteren ist ein Aufstieg nicht möglich. Aber wenn die Oberen den Unteren zu nahe kommen, droht der soziale Absturz.

Erziehung der Rabiaten

Es bleibt im Kern die alte Austen-Geschichte: Elizabeth soll unter die Haube, die Mutter drängt, der düstere Mr. Darcy (Sam Riley) scheint der ideale Kandidat. Darcy ist immerhin der tüchtigste Zombietöter des belagerten Königreichs. Aber Darcy hat auch Rivalen, die einen anderen Umgang mit den Untoten fordern, die auf Koexistenz setzen, auf allmähliche Erziehung der Rabiaten. Tatsächlich treffen sich die Reform-Zombies hier in einer alten Kirche.

Die Romanvorlage von Seth Grahame-Smith, das sei nicht verschwiegen, ist um einiges raffinierter als der Film. Dort fügt sich die Wahrheit über die Zombies als weiterer, tongetreuer Text in Austens Prosa ein. Das ist subversiver als die Änderung von Austens Geschichte in einem Medium, das sich selbst notwendig vom Roman entfernt, ob mit oder ohne Zombies.

Moderne Schmeißfliegen

In „Stolz und Vorurteil & Zombies“ sind wir manchmal nahe daran, das Vertrauen zu verlieren, dass hier tatsächlich Verschwiegenes zu Tage gebracht wird. Zeitweilig wirkt das Ganze schon mal wie ein handelsübliches Zombies-und-Kampfkunstspektakel, nur mit anderen Kostümen. Aber dann finden wir uns interessanterweise in einem Salon, in dem die Schmeißfliegen seltsam umherschwirren. Schließlich identifizieren sie durch Anhänglichkeit denjenigen, der sich, schon gebissen und infiziert, aber noch mit Perücke und Puder getarnt, unter seine ehemaligen Standesgenossen gemischt hat.

Dann sind wir mittendrin im rasenden Misstrauen einer Moderne, in der die besorgten Bürger in den anderen Monster erkennen, und in der die anderen das Kompliment gerne zurückgeben. Das Überlebensmotto der Zombietage ist das Grundgefühl von heute: die Lage ist zum Davonlaufen.

Stolz und Vorurteil & Zombies. USA 2016. Regie: Burr Steers. Mit Lily James, Sam Riley, Bella Heathcote. 108 Minuten. Ab 16 Jahren.