Noch wirkt alles ganz idyllisch: Ein paar Gaza-Kids haben eine Band gegründet. Foto: Koch Films

Spielfilme können uns mehr und anderes aus dem Nahen Osten zeigen als kurze Nachrichtenclips. „Ein Lied für Nour“ erzählt die wahre Geschichte nach, wie eine ägyptische Talentshow und ein palästinensischer Kandidat zum Politikum zwischen Palästinensern, Israelis und dem ganzen Umfeld werden. Aber ist dies auch eine wahrhaftige Darstellung des Geschehens?

Stuttgart - Am 22. Juni 2013 tritt der aus Palästina stammende Taxifahrer Mohammed Assaf in Ägypten in der Endrunde der Castingshow „Arab Idol“ auf, dem panarabischen Ableger des weltweit erfolgreichen TV-Formats. Assaf geht es um viel mehr als flüchtigen Ruhm. Und die Erwartungen der Fans zu Hause im Flüchtlingslager von Chan Yunis im Gazastreifen sind andere als die eines an Wohlstand und Sicherheit gewöhnten Publikums.

Die Geschichte Mohammed Assafs, des Gewinners, ist wahr und zugleich ein modernes Märchen. Der aus Palästina stammende Regisseur Hany Abu-Assad („Paradise Now“) konzentriert sich nicht völlig auf Assafs Erfolg, sondern geht zurück in dessen Kindheit.

Alltag in Gaza

Inmitten von Trümmern, bedroht von politischer wie wirtschaftlicher Unsicherheit, gründen der kleine Mohammed (Kais Attalah) und dessen Schwester Nour (Hiba Attalah) eine Band. Die dokumentarisch anmutenden Bilder sprechen eine deutliche Sprache, die Musik macht trotzdem Spaß. Bis Nour an einem Nierenleiden erkrankt und dringend ein Transplantat benötigt. In der ersten Hälfte des Spielfilms „Ein Lied für Nour“ wirkt Abu-Assads Darstellung des Alltagslebens im Gazastreifen authentisch. Beschönigt wird hier nichts, trotzdem durchzieht die Geschichte ein optimistischer Humor.

Gewitzt kämpfen die Geschwister für ihren Traum und treten sogar bei Hochzeitsfeiern auf. Für Nour ein besonderes Glück, auch wenn sie sich auf der Bühne in den Hintergrund verdrücken muss. Ein Seitenhieb gegen den Machismo in der arabischen Gesellschaft, der talentierte Mädchen und Frauen lieber versteckt, anstatt sie stolz zu präsentieren.

Der Heldenkitsch der PR-Strategen

Der zweite Teil des Films, der das junge Erwachsenenleben Mohammeds (Tawfeek Barhom) bis zu seiner Teilnahme am Gesangswettbewerb porträtiert, ist dagegen von einer sentimentalen, oft naiven Sichtweise bestimmt. Abu-Assad erliegt kritiklos der Faszination der kitschigen Heldenstory, aufgetischt von den PR-Strategen der Castingshow. Die platte Formel „Musik heilt alle Wunden“ klingt zwar hübsch, hat aber mit der Realität nicht viel zu tun.

Ein Lied für Nour. Palästina 2015. Regie: Hany Abu-Assad. Mit Tawfeek Barhom, Hiba Attalah, Kais Attalah. 100 Minuten. Ab 6 Jahren.