Der Eisvogel ist wieder auf dem Vormarsch: Szene aus „Kingfisher“. Foto: Festival

Vier Tage lang zeigt das Filmfestival Natur-Vision in Ludwigsburg auf der großen Leinwand, wie vielgestaltig das Leben unserer Welt ist – und wie verletzlich und schützenswert.

Ludwigsburg - „Wir bangen momentan ums Wetter“, sagt Ralph Thoms, Leiter von Natur-Vision – schon mehrere Festivals mussten in diesem Jahr wegen Unwettern abgesagt oder abgebrochen werden. Gut also, dass ein Experte zum Thema nach Ludwigsburg kommt: Sven Plöger, ARD-Wetterfrosch, stellt an diesem Freitag seinen Dokumentarfilm „Wo unser Wetter entsteht“ vor und beantwortet im Anschluss Fragen. Die wird es sicher geben, denn der Film selbst geht nicht auf Extreme ein, sondern erklärt nur anschaulich, wieso zum Beispiel unsere Hochs von den Azoren kommen und unsere Tiefs von Island.

Das Festival widmet sich dem gesamten Panorama des Naturfilms. Pinguine, Giraffen, Löwen, Hirsche, Bärenkinder, schwarzen Stumpfnasen und Komdowarane gibt es in diesem Jahr zu bestaunen, und man kann lernen „Wie Elefanten denken“. Auch ganze Lebensräume gibt es zu sehen am Yukon, auf Sardinien, in Peru, Kenia, den Everglades – und auch am Chiemsee blüht das Leben, wie ein Film aus der Reihe „Wildes Deutschland“ zeigt. Ein dritter Schwerpunkt bietet Filme, die sich damit beschäftigen, wie all das bewahrt werden kann.

Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) ist zum Beispiel ist „Im Auftrag meiner Enkel“ unterwegs, um zu ergründen, was sich ändern muss: Energie sparen, die Schere zwischen arm und reich schließen, Ersatzwährungen wie das Düsseldorfer Rheingold nutzen wider die Spekulanten. Blüm diskutiert mit Reichen und Managern, übernachtet aber auch bei einem eines Attac-Aktivisten auf einer Matratze auf dem Boden – ein bemerkenswerter Einsatz.

Spitzenköche bereiten Weggeworfenes zu

Der Schwede Fredrik Gertten macht sich in „Bikes vs. Cars“ Gedanken um die Fortbewegung der Zukunft. Er zeigt Fahrradfahrer in Sao Paolo und Los Angeles, die inmitten von Automassen und mangels Radwegen ihr Leben riskieren, und als vorbildlichen Gegenentwurf Kopenhagen, wo die Quote radelnder Pendler bei 40 Prozent liegt. Hardliner prallen da aufeinander, es herrscht Krieg in den Köpfen – und meistens hat der Stau Vorfahrt. Gertten geht nicht immer stringent vor und lässt viel Lamento zu, dennoch ist sein Film ein wertvolles Dokument mit vielen Fakten, das zu denken gibt.

Der Ernährung widmet sich der Österreicher Georg Misch – 30 Prozent genießbare Lebensmittel würden jedes Jahr weggeworfen, 1,3 Milliarden Tonnen weltweit heißt es in „Wastecooking“. Misch schreibt fort, was der Stuttgarter Valentin Thurn in „Taste the Waste“ begonnen hat: Mit einem Spezialmobil, angetrieben durch Pflanzenöl, fährt er durch Europa und lässt weggeworfene Lebensmittel von Spitzenköchen zubereiten. Da sagen Esser beim Restemenü aus den Abfällen der hauseigenen Kantine, selbiges sei besser als das, was die Kantine ihnen sonst frisch vorsetzt. Die Fleischbällchen aus Mehlwürmern, die holländische Schüler als Fleischersatz zu kosten bekommen, dürften allerdings nicht jedermanns Sache sein.

„Es geht bei uns immer auch um Umwelt und Nachhaltigkeit“, sagt Thoms, „wie wir es schaffen können, die Welt nicht ganz kaputtzumachen. Zum allerersten Mal haben wir einen Kampagnenfilm im Programm: ,Im Namen der Tiere‘ von Sabine Kückelmann, die dafür plädiert, das Schlachten zu beenden. Sie wird auch da sein und ihre Auffassung sehr offensiv und mit Verve vertreten. Das ist aber eine Ausnahme, die meisten Umweltfilmer gehen mit Überzeugung, aber differenziert an ihre Themen heran, wollen eher aufklären und motivieren.“

Die Bilder sind durchgehend brillant

Jan Haft („Das grüne Wunder – unser Wald“) bietet in „Magie der Moore“ einen spektakulären Blick auf Flora und Fauna eines sensiblen Ökosystems und wichtigen CO2-Speichers, der Niederländer Cees van Kampen in „Returning: Kingfisher“ atemberaubende Bilder von Eisvögeln, die in Superzeitlupe Fische jagen, Rivalen vertreiben und Junge großziehen, die aus dem Nest erst ins Wasser fallen, bevor sie fliegen. Rick Rosenthal taucht in „The Dark Side of the Ocean“ nachts in den Pazifik ein und zeigt seltsame Kreaturen, die im Schutz der Dunkelheit aus den Tiefen aufsteigen, um zu fressen, Fische mit transparenten Köpfen, Leuchtschlangen, junge Schwertfische.

Der deutsche Naturfilmer Klaus Weißmann begleitet in „Die Reise der Schneeulen“ die Vögel auf einer langen Futtersuche vom Hohen Norden bis nach Mitteleuropa, Christian Herrmann und Udo Zimmermann tauchen in „Himmelsvögel“ in Bhutan am Fuß des Himalayas in eine Dorfgemeinschaft ein, in der Kraniche als heilige Tiere verehrt werden und jede Familie einen Sohn fürs buddhistische Kloster abstellen muss.

Manches wirkt in den Naturfilmen überdramatisiert im Bemühen, Zuschauer durch Storytelling bei der Stange zu halten, wo die Bilder für sich sprechen – diese nämlich sind durchgehend brillant geraten, obwohl viele der Naturfilme TV-Produktionen sind. „Wer als deutscher Naturfilmer international etwas erreichen möchte, muss schon lange höchste Qualität liefern“, sagt Thoms. „Die haben schon in HD gedreht, als das Fernsehen das noch gar nicht ausstrahlen konnte, und arbeiten mit allen handwerklichen Finessen.“ Jürgen Eichinger etwa hat seinen Film „Die Zugspitze“ mit Drohnen gedreht, die bis zu zehn Kilo schwere Kameras tragen können. „Die meisten Tier- und Naturfilmer sind auch Naturschützer“, sagt Thoms, „die haben fast alle eine Mission.“