Schwer beeindruckt von Mo Asumang und ihrem Dokumentarfilm „Die Arier“ zeigen sich die Schüler der Carl-Schaefer-Schule in Ludwigsburg. Es waren zwei sehr spezielle Schulstunden zur Demokratiebildung.
Wie umgehen mit rassistischen Beleidigungen? Mit der Bedrohung durch Neo-Nazi-Gruppen? Mit der hingeschleuderten Remigrations-Vokabel „Schönen Heimflug!“? Die afrodeutsche Filmregisseurin und Fernsehmoderatorin Mo Asumang hat darauf eine Antwort gesucht, bis zurück in die Nazi- und SS-Biografien ihrer deutschen Großeltern mütterlicherseits. Anlass war eine Morddrohung gegen sie durch die Skinhead-Band „White Aryan Rebels“.
Speziell interessiert hatte Asumang das Generalkonzept „Arier“, das weiße Rassisten über Länder- und Kontinental-Grenzen hinweg verbindet. Dabei hat sie für den Dokumentarfilm „Die Arier“ die Nähe, die Auseinandersetzung, das Gespräch mit Neonazis, Burschenschaftlern, Rechtsradikalen in Deutschland und den USA gesucht, sogar mit Ku-Klux-Klan-Anhängern. Diesen Film konnten nun acht Klassen der Schule im Rahmen der Demokratiebildung sehen, in zwei Gruppen mit mehr als 300 jungen Leuten, die den Film so aufmerksam verfolgten wie das Gespräch mit der Regisseurin.
Rassismus „vergleichbar mit Mobbing“
„Sehr aufklärend“ sei der Film, sagt ein 16-Jähriger später. Am meisten gefallen hatten ihm „die Szenen, wo sie die Rassisten zur Rede stellt. Echt heftig!“ Seinen Namen möchte er lieber „nicht in der Zeitung haben“. Fabienne (20) und Sarah (18) haben damit kein Problem. Rassismus sei „eine Tatsache im Alltag, auch in der Schule“, im Grunde sei das „vergleichbar mit Mobbing und gleich schlimm“. Das Gespräch nach dem Film habe sie beeindruckt, „weil sie viel Persönliches berichtet hat“.
Während des Wechsels in der Halle gibt Hildegard Bunsen, Lehrerin für Technologie bei Anlagenmechanikern, eine Einschätzung, wie der Film aufgenommen wurde. Viele seien „sicher nicht überrascht gewesen von dem, was der Film zeigt. Die wissen auch aus eigener Erfahrung, was Rassismus ist“. Die Schule sei eben „ein Querschnitt der Gesellschaft, mit Herkunftsgruppen, die sich sehr ablehnend gegenüberstehen“. Klar, es gebe „auch Neo-Nazis, die von jüdischer Weltverschwörung faseln“. Diese Schülerschaft sei „eine sehr ehrliche Klientel, die direkt heraus ist mit den Sachen“.
Die gesellschaftliche Entwicklung findet Bunsen „sehr beunruhigend“, es wachse „die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine rechtsgerichtete Regierung kriegen“. Verändert habe sich „die Schamlosigkeit, mit der die einschlägigen Sachen rausgehauen werden“. Die Jugend hänge „in Social Media fest. Es wird nicht mehr gefragt, was richtig und falsch ist. Zeitungen liest man ja nicht mehr. Wie im Film läuft man wieder hinter Fahnen her“. Deshalb sei die Veranstaltung „eine Supersache“. Sie hoffe sehr, „dass die Botschaft gegen Lagerbildung und für Freundlichkeit aufgenommen wurde“.
Regisseurin: Das war ein wilder Ritt
Wieder gibt Mo Asumang den Schülern vor dem Start des Films „zwei Beobachtungsaufträge“: „Was machte es mit euch, wenn jemand diskriminiert wird. Welche Dialogstrategie wende ich an?“ Und wieder hängt danach eine Spur Beklemmung in der anfänglichen Stille, was die Regisseurin mit der Bemerkung lockert: „Ja, das war jetzt ein wilder Ritt.“ Beifall brandet auf, als ihr ein junger Mann Mut bescheinigt. Ebenso, als Ibrahim (19) aufsteht und „Respekt für Sie!“ sagt und dabei ein bisschen ausholt mit eigenen einschlägigen Erlebnissen. Ob sie keine Angst hatte beim Drehen „auf feindlichem Terrain“? Nicht wütend gewesen sei? Ob sie Drohungen bekomme?
Filmemacherin trainiert den Dialogmuskel
Ja, sie habe anfangs „sehr viel Angst gehabt“, sagt Asumang. Sie habe aber entschieden „nicht den Wut-, sondern den Dialogmuskel zu trainieren, um nicht in diese Hassschleife reinzuspringen “. „Nazis raus!“ zu rufen, bringe nichts, „die sind viel zu tief drin in ihrer Bubble“. Sie habe „einfach Fragen gestellt“. Das „One to one“ sei entscheidend. Wie bei Chris, der nach dem Film aus der Szene ausgestiegen sei und jetzt Flüchtlingskindern Nachhilfe gebe.
Das ist dann auch Asumangs Botschaft an die jungen Leute: „Die Art und Weise, wie du mit jemandem umgehst, das ist die Veränderung. Jeder von euch kann die Veränderung sein. Damit die Spaltung aufhört, damit wir gut miteinander umgehen.“