Joaquin Phoenix, Hauptdarsteller in Gus van Sants „Don’t worry, he won’t get far on foot“ auf dem roten Teppich in Berlin Foto: AFP

Wenn das iPhone zur Kamera wird – Filme von Steven Soderbergh, Gus van Sant und Philip Gröning auf der Berlinale.

Stuttgart - Hollywood bleibt im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb außen vor. Früher hatten die US-Studios das Festival noch als Startrampe für Filme benutzt, die kurz darauf in den Kinos anliefen. Aber auch das scheint vorbei. Die Hoffnung, dass Meryl Streep oder Steven Spielberg mit dem Filmstart von „Die Verlegerin“ den Weg nach Berlin finden, ist in der Oscar-Vorsaison vollkommen illusorisch. Zum Ausgleich hat Dieter Kosslick ein Dreigestirn des amerikanischen Independent-Kinos nach Berlin geholt. Nach Wes Andersons Eröffnungsfilm „Isle of Dogs“ folgten nun Steven Soderberghs „Unsane“ und Gus van Sants „Don’t worry, he won’t get far on foot“.

Soderbergh war 2013 mit „Side Effects“ zum letzten Mal bei der Berlinale und hatte damals angekündigt, die Filmregie an den Nagel zu hängen. Daraus ist nichts geworden, aber „Unsane“ zeigt, dass Soderbergh jetzt neue Wege gehen will. Der Film wurde komplett auf einem iPhone gedreht. Das bringt nicht nur eine Homevideo-Optik mit sich, sondern macht auch inhaltlich als Erzählformat Sinn. Denn in „Unsane“ geht es um eine eine Frau, die zum Opfer eines Stalkers wird – und das Smartphone ist im digitalen Zeitalter das wichtigste Stalking-Instrument. Die fabelhafte Claire Foy spielt die jungen Finanzberaterin Sawyer Valentini, die von einem Mann verfolgt und belästigt wird. In Anlehnung an Klassiker wie „Einer flog übers Kuckucksnest“ entwirft Soderbergh einen dichten Psychothriller im Smartphone-Format, der das durchkapitalisierte Gesundheitssystem ins Visier nimmt und sexuelle Gewalt auf äußerst beklemmende Weise spürbar macht. „Unsane“ dockt an die Metoo-Debatte an, die auch auf der Berlinale sehr präsent ist.

Philip Gröning und die prätentiöse Langeweile

Eher leichtherzig kommt Gus van Sants „Don’t worry, he won’t get far on foot“ daher. Das Porträt des US-Cartoonisten John Callahan (Joaquin Phoenix) erzählt dessen Kampf gegen die Alkoholsucht. Nach einem Autounfall im Vollrausch ist John querschnittsgelähmt und begibt sich zu den Anonymen Alkoholikern, deren spirituell fundiertes Zwölf-Schritte-Programm auch die narrative Grundlage des Filmes bietet. Mit einer locker gestrickten Rückblendendramaturgie schwenkt van Sant zwischen den alkoholischen Exzessen und dem seelischen Heilungsprozess hin und her: eine helle, federleichte Tragikomödie, der man allerdings ein bisschen mehr von jenem Sarkasmus wünscht, die Callahans Cartoons auszeichnen.

Das deutsche Kino hat sich bisher im Wettbewerb mit „Transit“ und „3 Tage in Quiberon“ tapfer geschlagen, aber mit Philip Grönings „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ fiel der dritte deutsche Beitrag enttäuschend aus. Um eine Tankstelle herum inszeniert Gröning sein dreistündiges Zwillings-Drama. Auf der nahegelegenen Wiese lagern Robert (Josef Matts) und seine Schwester Elena (Julia Zange). Letztere hat am Montag Abi in Philosophie, was zum Sinnieren über Augustinus und Heidegger führt. Dazwischen krabbeln poetisch Insekten durchs Bild, ein Grashüpfer lugt aus der Zigarettenschachtel, eine Wette setzt inzestuöse Energien frei. Nach zwei Stunden kommt mit Sex, Gewalt und einer geladenen Pistole dann doch noch Action auf, was die prätentiöse Attitüde des Werkes jedoch nur noch stärker zur Geltung bringt.