Die Fluggesellschaft Condor steht in der Kritik. Foto: /Tim Höhn (Archiv)

Die Diskussionen um den „Horrorflug“ von Hurghada nach Stuttgart dauern an – jetzt ist ein womöglich brisanter Film aufgetaucht. Unterdessen melden sich immer mehr Passagiere und schildern teils dramatische Szenen an Bord.

Ludwigsburg/Stuttgart - Der „Horrorflug“ von Hurghada nach Stuttgart ruft weiter Diskussionen hervor. In den vergangenen Tagen haben sich immer mehr Passagiere bei unserer Zeitung gemeldet, um über die Vorfälle an Bord von Flug DE 217 zu sprechen, und überdies ist jetzt ein womöglich brisantes Video aufgetaucht. Der kurze Film liegt der Redaktion vor und soll von einem Fluggast in der Kabine der Condor-Maschine aufgenommen worden sein. Er zeigt ein Triebwerk, aus dem Flammen schlagen. Ist das Material authentisch, untermauert es die Aussagen von Marzena Pereira Meireles, die als erste öffentlich über die Ereignisse während des Flugs gesprochen hatte.

Die Frau aus Murr war mit ihrer Familie an Bord des Airbus A320, der am 15. August von Ägypten nach Stuttgart flog, und berichtete danach unter anderem von Feuer im Triebwerk und Panik an Bord. Andere Passagiere bestätigen, dass während des Flugs ein lauter Knall zu hören gewesen sei und die Crew einen teils verängstigten Eindruck gemacht habe. Condor erklärte daraufhin, das Personal habe lediglich eine leichte Vibration an einem der beiden Triebwerke festgestellt. Dies sei kein Anlass zur Sorge gewesen. Zu keinem Zeitpunkt, betonte die Fluggesellschaft, habe eine Gefahr bestanden.

Die Pilotenvereinigung bestätigt: Flammen im Triebwerk

Panik ist auf dem jetzt aufgetauchten Video tatsächlich nicht zu erkennen. Vielmehr ist zu hören, wie sich im Hintergrund Fluggäste unaufgeregt unterhalten. Deutlich zu sehen sind allerdings mehrfach auflodernde Lichtblitze unter der linken Tragfläche. Die Pilotenvereinigung Cockpit hat die Aufnahme in Augenschein genommen und bestätigt, dass es sich dabei um Flammen handelt.

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„Wenn mir die Crew oder Passagiere Flammen aus einem Triebwerk melden würden, würde ich keine lange Strecke mehr bis zum Zielflughafen zurücklegen“, sagt der Cockpit-Sprecher Janis Georg Schmitt. Passiere so etwas kurz nach dem Start, gehe es in der Regel zurück zum Startflughafen, ansonsten entweder zum nächsten Flughafen oder zum nächsten passenden Flughafen. Warum es zu dem Zwischenfall kam, ist weiterhin unklar. „Das kann mehrere Ursachen haben“, sagt Schmitt. Da die Maschine nach Angaben der Passagiere bereits auf Flughöhe war, schließe er aus, dass ein Vogel ins Triebwerk geflogen ist. Denkbar sei ein mechanischer Schaden, und auch verunreinigter Treibstoff komme infrage. Über die Alpen, so Schmitt, würde er in einem solchen Fall eher nicht mehr fliegen. Vor allem, wenn verunreinigter Treibstoff die Ursache gewesen sei, hätte auch das andere Triebwerk Schaden nehmen können.

Condor will zu dem Video keine Stellung nehmen

Condor will zu diesen Aussagen und zu dem Video keine Stellung nehmen. Eine Sprecherin der Fluggesellschaft bestätigt am Dienstag lediglich, dass „gemäß der geltenden Verfahren rein vorsorglich die Leistung des Triebwerks reduziert“ und der Flug „dann ganz normal fortgesetzt wurde“. Die in diesem Fall zuständigen Behörden seien über „den Flug DE 217 in Kenntnis gesetzt worden“. Sicherheit habe in der Luftfahrt höchste Priorität, und die Crews seien auf diese Verfahren geschult. „Die Cockpitcrew hat sich auch in diesem Fall an die im Sinne der Sicherheit strengen Verfahren an Bord gehalten“, erklärt das Unternehmen.

Nicht nur Marzena Pereira Meireles, auch andere Passagiere sehen die Darstellung von Condor kritisch. Meireles sagt, dass die Stewardessen panisch geworden seien, eine Flugbegleiterin habe sogar angefangen zu weinen und eine Zigarette geraucht. Außerdem sei plötzlich Alkohol ausgeschenkt worden, was die Passagiere zusätzlich beunruhigt habe.

„Natürlich haben wir uns alle an den Händen gefasst“

Heiko Bofinger aus Ludwigsburg hat zwar keinen Alkohol- oder Zigarettenkonsum an Bord beobachtet und hält die Schilderung von Meireles insgesamt für übertrieben, aber auch er sagt, dass die Crew „wirklich aufgescheucht“ gewesen sei und es sich nicht um eine alltägliche Situation gehandelt habe.

Detaillierter fällt die Schilderung von Mark Pflanz aus, der mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in der Nähe des Fensters unweit der Tragfläche saß. Als sich die Maschine über Kroatien befand, sei ihm das Feuer aufgefallen, berichtet er. Plötzlich habe es „laut gescheppert“, woraufhin mehrere Passagiere verschreckt aufgesprungen seien. Das Flugzeug sei danach unruhig geworden und langsam in den Sinkflug gegangen. „Natürlich haben wir uns alle an den Händen gefasst. In so einem Moment denkt man schon: Das könnte es jetzt gewesen sein.“

Viele Kinder an Bord

Eindrücklich beschreibt Pflanz die Reaktion eines Mannes, der in seiner Nähe saß: „Den Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen – Schrecken pur.“ Dass die Atmosphäre insgesamt trotzdem „sehr beherrscht“ gewesen sei, führt er darauf zurück, dass viele Kinder an Bord waren. „Ich vermute, dass alle Erwachsenen darum bemüht waren, die Kinder nicht weiter zu verschüchtern.“

Auch Mark Pflanz schildert eine „sehr besorgte und betroffene Crew“. Die Flammen seien nach mehreren Minuten verschwunden. Schließlich sei ein Steward durch die Reihen gegangen und habe erklärt, dass wegen einer Fehlzündung zu viel Kerosin ins Triebwerk geraten und verbrannt, die Situation aber unter Kontrolle sei. „Das war professionell und hat für eine gewisse Beruhigung gesorgt“, erzählt Pflanz. Kurz darauf habe die Crew in einer Durchsage erklärt, dass alle Flugplätze über die Situation informiert seien und die Maschine somit jederzeit landen könne, wenn es nötig werde. Weil das Triebwerk aber stabil sei, werde man weiter nach Stuttgart fliegen. Den restlichen Weg, so Pflanz, habe der Flieger dann unruhig und auf geringer Höhe zurückgelegt.

Nach der Landung verabschiedete das Bordpersonal die Fluggäste offenbar mit einer Routineansage: „We hope, you had a pleasant flight“ – aber normal oder gar angenehm sei dieser Flug ganz sicher nicht gewesen, sagt Pflanz. „Fehler können passieren, aber es kommt auf den Umgang damit an. So wie Condor sich benimmt, fördert das nur das Misstrauen.“