Tragikomödie, USA 2015. 123 Minuten Foto:  

Joy hat einen neuartigen Wischmopp entwickelt und möchte diesen nun im Fernsehen anpreisen über entsprechende Werbesender. Doch ihr fehlen die Worte. Der Film „Joy – Alles außer gewöhnlich“ erzählt von den Schwierigkeiten, den amerikanischen Traum vom Reichtum für jedermann umzusetzen.

Stuttgart - Die Familie sitzt auf der Couch. Im Fernsehen sieht man Joy (Jennifer Lawrence) wie paralysiert in einer blitzeblank geputzten Küche Wurzeln schlagen. Sie starrt in die Kamera. Gibt keinen Ton von sich. Blinzelt geblendet in die Scheinwerfer. Homeshopping geht anders. So wird sie ihren selbst erfundenen, neuartigen Mopp kaum verkaufen können. Doch es klingelt! Ein Anrufer! Joy kommt in Fahrt, klagt über herkömmliche Produkte, schwärmt von revolutionierter Hausarbeit – und die Leitungen glühen.

„It’s A Long Way To The Top“, „Es ist ein langer Weg zur Spitze“, sangen einst AC/DC. Die Protagonistin in David O. Russells neuem Streifen „Joy – Alles außer gewöhnlich“ könnte Wortspielfans mit einem Cover beglücken: „It’s A Long Way To The Mopp.“ Was diese Frau in der auf wahren Begebenheiten fußenden Geschichte durchmacht, um ihre Erfindung unters Volk zu bringen, entmutigt selbst den masochistischsten Turbokapitalisten. Der American Dream scheint hier nicht die Tüchtigen zu belohnen, sondern jene, die am abgezocktesten zu taktieren wissen.

Der Mann wohnt im Keller

Zu Beginn, quasi im Tellerwäscherstadium, hält Joy die Sippschaft zusammen. Ihre geistig degenerierte Mutter Terry (Virginia Madsen) vegetiert vor der Mattscheibe dahin und kennt die Soap-Darsteller besser als ihre Mitmenschen. Vater Rudy (anfangs schön zynisch: Robert De Niro) neigt zum Jähzorn und trifft andere Frauen. Er wohnt im Keller und zankt sich mit dem ebenfalls dort hausenden Tony (Edgar Ramírez), Joys Ex-Mann. Mit dem Vertrieb ihres Mopps hofft Joy, der misslichen Lage entfliehen zu können. Doch in der Wirtschaftswelt warten Widerstände. Wer will etwa einen stabilen Mopp mit hoher Lebensdauer, solange Kunden die billig-brüchigen regelmäßig ersetzen?

Jennifer Lawrence („Die Tribute von Panem“) agiert als Joy solide. Sie stemmt sich energisch gegen Barrieren, bricht kraftlos, rappelt sich auf. Keiner der Verwandten glaubt an sie, täglich torpediert man ihr Selbstvertrauen. Joy avanciert so zur glaubhaften Person, nicht zur plakativen Kinofigur. Ob sie zur Beruhigung eine Schrotflinte abfeuert oder sich die Hände (ziemlich idiotisch) beim Scherbenaufwischen schneidet – man kauft’s ihr ab.

Moderatoren mit Star-Allüren

Auch der Einblick in die TV-Shopping-Welt macht Laune. Bradley Cooper mimt den Sendermanager mit stets wässrigen Augen. Er muss sich mit den (zumindest vom Autor dieses Textes) oft belächelten Moderatoren und deren Starallüren rumschlagen. Nonstop palavernde Fernsehfritzen können offenbar kapriziös werden, wenn sie gute Verkaufszahlen aufweisen.

Bedauerlicherweise erzählt Russell den Aufstieg unnötig umständlich. Er führt etliche Nebenfiguren ausführlich ein, deren Bedeutung sich in Grenzen hält. So entstehen Längen, denen Lawrence mühevoll entgegenarbeiten muss. Doch auch ihr Kampf gegen Betrüger und Geschäftsmänner ermattet auf Dauer: Letztendlich wiederholen sich Variationen immer desselben miesen Spiels. Das schmerzt – denn die differenzierte, halb demontierende, halb bestätigende Betrachtung der seltsamerweise häufig idealisierten Leistungsgesellschaft gelingt, und auch die Familiengeschichte überzeugt in Ansätzen. So sorgt „Joy“ der ordentlichen Besetzung und einer märchenhaften Grundlage zum Trotz allerdings nur sporadisch für Freude.