Ausnahmsweise mal am Steuer: Renate Frahm Foto: Sascha Schmierer

Renate und Karl-Heinz Frahm gehen mit ihrem Kramer-Schlepper Baujahr 1955 erneut auf große Fahrt – nach Reisen an die Ostsee und die Pfalz steht jetzt der Thüringer Wald auf der Wunschliste

Filderstadt - Die großen Plastikboxen mit der Ersatzkleidung sind gepackt, der grün gestrichene Kramer-Trecker steht vollgetankt vor der Garage an der Eierwiesenstraße. Gut tausend Kilometer Wegstrecke hat der altgediente Einzylinder in den nächsten zwei Wochen vor sich. Und Karl-Heinz Frahm ist guter Dinge, dass der immerhin elf PS starke Schleppermotor bei der geplanten Reise in den Thüringer Wald so zuverlässig seinen Dienst tut wie bei all den Fahrten der vergangenen Jahre auch.

Bei einem Probelauf am Dienstag jedenfalls tuckert der Dieselveteran nach einer „Gedenkminute“ beim Anlassen ruhig und gleichmäßig vor sich hin – auch wenn der Kramer KL 11 inzwischen exakt sechs Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Renate Frahm schmückt das ungewöhnliche Reisemobil mit frisch geschnittenen Rosen aus dem eigenen Garten, die akribisch ausgearbeitete Fahrtroute ist längst mit Leuchtstift in die Straßenkarten eingezeichnet.

Der Reiz des entschleunigten Reisens

Spätestens am Freitagmorgen soll es losgehen mit der Reise in den Thüringer Wald, nach der Ostsee (2012), der Pfalz (2013) und dem Bayerischen Wald (2014) wollen die Senioren mit den Strohhüten als Sonnenschutz zur Wartburg und zum Rennsteig, zu den Feengrotten bei Saalfeld und ins Schwarzmühltal. „Die Fahrerei macht uns nach wie vor Spaß – man hat auf dem Schlepper einfach mehr Zeit, auch wirklich zu schauen – und fliegt nicht nur im Eiltempo an der Landschaft vorbei“, umschreibt der frühere Vereinsring-Chef den Reiz des entschleunigten Reisens.

Von Eiltempo kann beim Kramer nun wirklich keine Rede sein: Die historische Dieselmaschine schafft etwa 18 Kilometer in der Stunde, selbst Hobbyradler sind auf dem Drahtesel schneller unterwegs. Dafür sind Renate und Karl-Heinz Frahm vielerorts das Gesprächsthema, wenn sie mit ihrem Einzylinder-Cabrio auftauchen. „Nun ist hier endlich mal was los im Dorf!“, rief ein Rentner, als das Ehepaar vor Jahren bei einer Reise nach Hamburg in einem 400-Seelen-Ort nach einer Unterkunft für die Nacht suchte. Und als die Frahms bei einer Fahrt nach München im Regen nass bis auf die Knochen wurden, heizte eine Bäuerin eigens den Kamin an, damit die klamme Skiunterwäsche trocknen konnte.

Um die 80 Kilometer schafft der Schlepper-Veteran am Tag

Um die 80 Kilometer schaffen der pensionierte Ingenieur und seine Gattin am Tag auf ihrer Reise, nach einem Schlafplatz wird nach Lust und Laune gesucht – eine Unterkunft fand sich bisher immer an der Strecke. In einer auf den Beifahrersitz montierten Klarsichthülle hat Karl-Heinz Frahm die einzelnen Streckenabschnitte detailliert notiert, die Fahrt über Bundesstraßen versucht das Ehepaar auf dem Weg so gut es geht zu vermeiden. „Am schönsten ist eine freie Landstraße übers Feld oder durch den Wald“, freut sich Renate Frahm auf die Fahrt. Aus Ärger über das langsame Hindernis hupende Autofahrer sind nach der Erfahrung der Filderstädter selten – auch wenn Karl-Heinz Frahm einräumt, dass „schon ein dickes Fell nötig“ ist, wenn der betagte Schlepper beim Anfahren eine komplette Ampelphase braucht, um über die Kreuzung zu kommen. „Sogar Kühe auf der Weide gucken uns hinterher“, sagt Renate Frahm – weil ein Trecker Baujahr 1955 mit seinem „Tuck-Tuck-Tuck“ eben doch ganz anders klingt als der röhrende Hochleistungstraktor des modernen Landwirts.