Mehr Tempo 30, an manchen Stellen auch nachts, soll Filderstadts Bürger vor Verkehrslärm schützen. Foto: dpa-Zentralbild

Tempo-30-Zonen als Rezept gegen Verkehrslärm ist Autofahrern schwer zu vermitteln. Im Gemeinderat Filderstadt kam Missmut gegen den von der EU geforderten Lärmaktionsplan auf.

Filderstadt - Der Schutz vor Verkehrslärm bewegt den Filderstädter Gemeinderat. Wegen des Geratters und Geknatters der Verbrennungsmotoren auf den Straßen zwingt die EU ihre Mitgliedsstaaten, den Krach in den Kommunen zum Schutz der Anwohner mit Lärmaktionsplänen zu minimieren. Das Wie und Wo der Maßnahmen spaltete am Montagabend das Ratsgremium. Die Diskussion zum Maßnahmenkatalog, in dem weitere Tempo-30-Zonen und Fahrbahnerneuerungen geplant sind (wir berichteten), geriet stellenweise so konfus, dass Oberbürgermeister Christoph Traub am Ende fragte: „Haben Sie Interesse, zu erfahren, was Sie beschlossen haben?“

Die EU droht mit Geldstrafe

Schon anfangs der Debatte schwante dem OB nichts Gutes. „Wenn Sie den Plan aus der Sicht des Autofahrers und nicht aus der Perspektive der Anwohner betrachten, dann denken Sie ihn falsch. Die Gesundheit der Anwohner ist ein hohes Gut“, sagte er. Das Gremium müsse einen Beschluss fassen. Die EU betreibe gegen Deutschland wegen der zögerlichen Umsetzung ein Vertragsverletzungsverfahren, bei dem eine hohe Geldstrafe drohe.

Nach dem Wunsch der Verwaltung sollte das Gremium den Abwägungsvorschlägen der Verwaltung zu den Stellungnahmen der Öffentlichkeit, den Behörden und Trägern öffentlicher Belange zustimmen und den Entwurf des Lärmaktionsplans inklusive Bericht beschließen. Außerdem sollten für die Geschwindigkeitsreduzierungen 25 000 Euro in den Nachtragshaushalt aufgenommen werden.

Die Fraktionsgemeinschaft CDU/FDP stimmt mit Nein

Von der Rede des OB ließ sich die Fraktionsgemeinschaft von CDU und FDP nicht beeindrucken. „Wir haben uns weitere Infos von der Verwaltung eingeholt. Dadurch hat sich für uns an der Sachlage nichts geändert“, sagte Dennis Birnstock. Der Plan basiere auf Rechenmodellen, nicht auf Messungen. Tempo 30 sei die falsche Lösung, weil sich der Verkehr in die Wohngebiete verlagere. Die Stadt solle sich auf Fahrbahnsanierungen konzentrieren. „Ich fordere außerdem, dass sich das Gremium mit einer Ortsumfahrung befasst“, sagte Birnstock. Die Fraktionsgemeinschaft lehne die Vorlage der Verwaltung ab.

Den Grünen im Rathaus ging der Lärmaktionsplan dagegen nicht weit genug. Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Armin Stickler formulierte den Antrag, Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet einzuführen. „Die Ortsverbindungsstraßen bleiben davon unberührt“, sagte Stickler.

Die Zunge bleibt doch im Mund

Komplexer gestaltete die SPD ihren sieben Punkte umfassenden Änderungsantrag. Bei dessen Formulierung gestattete sich Frank Schwemmle einen Seitenhieb auf das Nein von CDU und FDP: „Dennis Birnstocks Aussage kann ich nach den Worten des OB nicht nachvollziehen. Wir müssen etwas beschließen und können nicht die Zunge rausstrecken und sagen ,Bäh, das machen wir nicht‘. Das ist kindisch.“ Nachdem sich Willy Stoll, Vorsitzender der Fraktionsgemeinschaft, gegen den Zungenvorwurf verwahrt hatte, ruderte Schwemmle zurück. „Ich wollte Ihrer Fraktionsgemeinschaft nicht zu nahe treten, halte aber ein Nein für zu wenig“, sagte er. Es sollten aber nur Maßnahmen beschlossen werden, die zur spürbaren Entlastung von Lärm dienten. Für die Ortsdurchfahrten in Bernhausen und Sielmingen sei Tempo 30 sinnvoll. Dort weiche der Verkehr auf die Nord-West-Umfahrung, die A 8 oder die B 27 aus. Deshalb gebe es Entlastung vom Lärm. Von den weiteren 30er-Zonen im Gutachten sei dies nicht zu erwarten: „Auf Straßenabschnitten, auf denen in der Regel ohnehin wegen des Verkehrsaufkommens nicht schneller gefahren werden kann, Tempo 30 einzuführen, hat keinen spürbaren Effekt.“ Wirkungsvoll seien Fahrbahnsanierungen.

Freie-Wähler-Stadtrat fordert Tempo 40

„Wir sind sehr gespalten und bei der Diskussion noch weiter auseinandergekommen“, sagte Robert Hertler für die Freien Wähler. Wie bereits bei der Beratung im Technischen Ausschuss setzte sich sein Fraktionskollege Richard Briem für die Höchstgeschwindigkeit von 40 Kilometer in der Stunde innerorts auf allen Hauptstraßen in allen Stadtteilen und eine „grüne Welle“ der Ampelanlagen ein. Dafür formulierte auch er einen Beschlussantrag.

Nach einer langwierigen Abstimmung wurden Briems Antrag und derjenige der Grünen abgelehnt. Am Ende entschied sich die Mehrheit für den Vorschlag der Verwaltung, folgte jedoch der SPD in einigen Änderungen und Ergänzungen. Danach werden Bedenken und Anregungen zum Lärmaktionsplan lediglich zur Kenntnis genommen. Ergänzend zu den anderen Punkten soll die Verwaltung für die Haushaltsberatungen einen Plan für die Fahrbahnsanierungen zur Verfügung zu stellen. Er soll Kosten und Zeitpunkt des Sanierungsbedarfs zeigen. Außerdem soll die Stadt darauf hinwirken, dass die B 312 so schnell wie möglich eine lärmreduzierende Deckschicht erhält.