Tina Martini und Rüdiger Frimmel haben das Tier aufgepäppelt. Foto: Caroline Holowiecki

Ein Ehepaar aus Plattenhardt hat einen Rabenvogel mit der Hand aufgezogen. Anfangs kam Wolle noch täglich zu Besuch. Nun ist die Krähe verschwunden, hat die Wildnis sie offenbar wieder.

Plattenhardt - Yahoo hat sich auf dem Boden langgemacht. In Spiel- und Kau-Weite des wuscheligen Setter-Mischlings: eine Krähe aus Plüsch. Anstelle der dürren Beine baumeln verknotete Kordeln aus dem pechschwarzen Stoffkörper. Das nachgebildete Gefieder hat schon etwas unter den Hundezähnen gelitten. Aber Wolle, so heißt der Spielzeugvogel, ist eine schöne Erinnerung an den echten Wolle. Knapp vier Monate lang war der Vogel ein richtig guter Spielkamerad für Yahoo und seine Hundefreunde Happy, Cherry und Rosi gewesen. Doch seit bald zwei Wochen ist Wolle fort – wahrscheinlich bei Seinesgleichen.

Schneller als der Fuchs

Tina Martini und ihr Ehemann Rüdiger Frimmel hatten die Krähe Anfang Juli beim Gassigehen im Plattenhardter Gebiet Weilerhau gefunden, mitgenommen und zuhause aufgepäppelt. Es war Mitleid: „sie saß im hohen Gras, komplett durchnässt und ein Bein vom Gras fest umwickelt. Sie konnte nicht weg“, erzählt Tina Martini (41). Die Tierfreundin wusste, wenn sie jetzt nicht eingreift, tut’s ein Fuchs. Also nahm sie den Vogel mit, der aus dem Nest gefallen war, setzte ihn daheim in eine Hundebox – und recherchierte im Internet. Fortan testeten sie und ihr Mann täglich auf dem eigenen Gartengrundstück am Waldrand, ob Wolle fit genug ist, um erste Flugversuche zu unternehmen. Zuletzt lebte die erstarkte Aaskrähe, deren Geschlecht unbekannt blieb, im Garten, wurde beim täglichen Gassigehen mit Mehlwürmern und anderen Leckereien begrüßt, kletterte auf Köpfen und Armen der Zweibeiner herum oder spielte mit den Vierbeinern. „Mit den Hunden hat Wolle von Anfang an ein Dreamteam gebildet“, berichtet Tina Martini.

Unter anderen Jungvögeln

Seit der letzten Oktober-Woche ist Wolle weg. Die Zieheltern gehen nicht davon aus, dass ihm etwas zugestoßen ist, vielmehr glauben sie, dass er sich anderen Jungvögeln angeschlossen oder verliebt hat. Rüdiger Frimmel (47) hat zudem zwei neue Krähen im Revier beobachtet, „da ist jetzt etwas Durchmischung“. Während Wolles leibliche Eltern nach wie vor da sind, die Mensch-Hunde-Schar auf ihren Spaziergängen begleiten und sich gern Nüsse und Hühnerherzen servieren lassen, ist vom Spross nichts zu sehen. Sie hätten ihn erkannt an seinen charakteristischen weißen Stellen im Gefieder.

Ein normales Krähenleben

„Im Prinzip ist es genau das, was wir wollten: dass Wolle ein normales Krähenleben führt und nicht auf den Menschen geprägt ist“, sagt Tina Martini. Doch ihr Blick verrät, dass ihr der abrupte Abschied schwerfällt, auch ihr Mann sagt, dass er sich regelmäßig dabei ertappt, wie er nach Wolle Ausschau hält. Nicht nur die Eheleute aus Plattenhardt hoffen, dass der Rabenvogel sich irgendwann mal wieder blicken lässt und ihnen ein „Hallo“ zukrächzt. Auch Nachbarn fragen nach dem zahmen Tier, und die 700 Fans der Facebook-Seite „Kleine Krähe Wolle“ warten ebenso gespannt, ob die Geschichte vom zahmen wilden Vogel nun abgeschlossen ist. Oder ob es doch noch eine Fortsetzung geben wird.