Geschwindigkeitsverstöße waren meistens der Anlass für die nicht eingeforderten Bußgelder. Foto: Häusser

In der Bußgeldaffäre hat es die erste Verhandlung gegeben. Die frühere Mitarbeiterin des Ordnungsamts ist vom Gericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Filderstadt - Der lockere Umgang mit Bußgeldbescheiden war offenbar gang und gäbe im Ordnungsamt Filderstadt. Seine Mandantin räume zwar die ihr zur Last gelegten Delikte ein, sagte Verteidiger Rino Iervolino am Montag vor dem Schöffengericht. „Sie will jedoch nicht der alleinige Sündenbock sein.“ Deshalb sei es richtig, dass sich auch andere Sachbearbeiterinnen vor Gericht verantworten müssten.

Insgesamt sind vier Verfahren wegen Rechtsbeugung beim Amtsgericht Nürtingen anhängig. Den Angeklagten wird vorgeworfen, dass sie bei Verwandten und Bekannten sowie bei Kollegen ein Auge zugedrückt haben und auf die Eintreibung von Bußgeldern, die vorwiegend nach Geschwindigkeitsverstößen fällig wurden, verzichteten.

Bei der ersten Verhandlung am Montag wurden der 63-jährigen Angeklagten vier Fälle vorgeworfen. Einmal hatte sie sich selbst das Bußgeld erspart, nachdem sie auf ein stehendes Auto aufgefahren war. In den anderen Fällen war sie zu dem Mann ihrer Kollegin, zu ihrem früheren Ehemann und schließlich zu einem Kollegen aus einer Nachbarkommune barmherzig gewesen.

Gegen Begünstigte wird jetzt auch ermittelt

Richter Alexander Brost wollte von der Angeklagten wissen, ob sie in den letztgenannten Fällen immer auf Bitte der Begünstigten gehandelt habe. „Ja“, antwortete sie knapp. Damit sei offenbar geworden, dass sich auch Begünstigte schuldig gemacht hätten, erklärte am Rande der Verhandlung Staatsanwalt Thomas Hochstein. Gegen diese Begünstigten werde nun wegen Anstiftung zur Rechtsbeugung ermittelt. In der Verhandlung wurde auch klar, dass die der Angeklagten zur Last gelegten vier Fälle nicht die einzigen Rechtsbeugungen waren, die bei ihrer Tätigkeit im Filderstädter Ordnungsamt passierten. Offenbar sind mehr als zehn derartige Fälle bekannt geworden. Man habe jedoch nur vier angeklagt, weil in diesen Fällen die Beweismittel eindeutig gewesen seien, so der Staatsanwalt.

Das Schöffengericht ließ schließlich gegenüber der 63-jährigen Angeklagten Milde walten. Es folgte dem Plädoyer von Staatsanwalt Hochstein und verurteilte die Frau zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Statt Geldstraße Arbeitsstunden

In der Urteilsbegründung hielt Richter Brost der Angeklagten zugute, dass sie vollauf geständig war. Außerdem habe sie sich sonst noch nichts zuschulden kommen lassen. Schließlich sei sie durch die fristlose Kündigung im September 2012 schon einmal bestraft worden. Und sie habe in ihrem Wohnort an Ansehen verloren. Die Leute hätten schon die Straßenseite gewechselt wenn sie erblickt worden sei, hatte die Frau berichtet. Statt einer Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro, die vom Staatsanwalt gefordert worden war, verurteilte das Gereicht die Frau zu 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit.

Die rüstige alleinstehende 63-Jährige war nach der Kündigung durch die Stadt noch eineinhalb Jahre bei der Agentur für Arbeit beschäftigt, bevor sie im März 2015 in den Ruhestand ging. Sie berichtete bei der Verhandlung, dass es ihr inzwischen oft langweilig sei. Deshalb sah Richter Brost die gemeinnützige Arbeit auch als Chance. „Vielleicht finden Sie ja noch eine Arbeit in einem anderen Bereich“, sagte er. Schließlich könne das Leben immer auch noch etwas Neues bieten.