Daniele Ganser hat viele Fans, aber auch viele Kritiker. Foto: Werner Kuhnle

Im Mai soll in der kommunalen Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen der umstrittene Historiker Daniele Ganser auftreten. Der ist unter anderem bereits im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien aufgefallen. Was macht die Stadtverwaltung?

Am 12. Mai soll in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen der Schweizer Historiker und Publizist Daniele Ganser den Vortrag „Warum ist der Ukraine-Krieg ausgebrochen?“ halten. Online werden Tickets über die bekannten Anbieter verkauft. „In seinen Vorträgen geht es Dr. Ganser hauptsächlich um den Weltfrieden“, liest man auf einem Portal. Allerdings: Ganser hat zwar viele Fans, aber auch viele Kritiker.

In der Vergangenheit ist er nicht nur mit pauschaler Medienschelte und Verschwörungstheorien, etwa zum 11. September, aufgefallen, er vergleicht in der Doku „Pandemned“ auch Geimpfte und Ungeimpfte mit Nazis und Juden. Ebenso soll er, wenn man der Homepage www.peaceappeal21.de glauben darf, zu den Erstunterzeichnern des sogenannten Neuen Krefelder Appells gehören, in dem „unter dem Deckmantel der Pandemie-Bekämpfung“ vor der Gefährdung von Milliarden Menschen, vor den Gefahren der Impfkampagne und der Strategie des „Great Reset“ gewarnt wird.

Auch der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus ist alarmiert

Auf den Fildern ist mancher irritiert über die Buchung in einer kommunalen Halle. Die Gruppierung „Filder Nazifrei“ etwa zeigt sich bei Twitter empört darüber, dass die Stadt Ganser eine Bühne bieten möchte. Auch der Filderstädter Michael Blume, der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, ist alarmiert. Mit Unterstellungen und Suggestivfragen versuche Ganser, seinem Publikum eine Art Alternative zu gesicherten Forschungsergebnissen und historisch fundierten Analysen zu bieten, erklärt er.

„Leider ist Ganser kein harmloser Verschwörungsunterhalter, sondern hat sich mehr und mehr ins gesellschaftliche Abseits manövriert“, etwa, indem er schon zu Beginn der Pandemie die inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtete Querdenkerbewegung unterstützt habe. Sein Suggerieren, Ungeimpfte würden wie Juden im Nationalsozialismus behandelt, verharmlose die Verbrechen der Nazis, relativiere den Holocaust und verhöhne die Opfer.

„Leider müssen wir davon ausgehen, dass Ganser auch in Leinfelden-Echterdingen seine teilweise gefährlichen Verschwörungsmythen verbreiten wird“, sagt er gegenüber unserer Zeitung. In mehreren Kommunen wurden in der Vergangenheit Auftritte Gansers abgesagt oder öffentlich kritisiert. In Innsbruck hat zuletzt der Bürgermeister laut Medienberichten darauf eingewirkt, dass die Veranstaltung entfällt, in Dresden haben demnach Künstler 2020 demonstrativ ihre Teilnahme an den Jazztagen abgesagt. Auch in Leinfelden-Echterdingen wünscht sich Michael Blume eine Reaktion. „Ich hoffe, dass sich Gesellschaft und Politik in der Gemeinde kritisch mit Ganser auseinandersetzen und den geplanten Vortrag nicht unwidersprochen lassen“, sagt er.

Wie die Verwaltung sich positionieren wird, ist unklar, ebenso, ob der Gemeinderat eingebunden wird. Man wolle sich zunächst ein genaues Bild darüber machen, wie der Vortrag und die Thesen Gansers einzuschätzen seien. „Einer sorgfältigen Analyse geben wir den Vorzug vor einer vorschnellen Prüfung, zumal der Vortrag erst im Mai geplant ist“, teilt der Sprecher Thomas Krämer mit. Schließlich gebe es Städte, die die Vorträge zugelassen hätten. Die Meinungsfreiheit sei aus Sicht der Verwaltung ein hohes Gut, „grundsätzlich werden jedoch weder Verunglimpfungen und schon gar nicht Antisemitismus in der Stadt eine Bühne bekommen“.