Yosief und Temesgen stammen aus Eritrea und leben in der Unterkunft an der Helene-Pfleiderer-Straße in Degerloch. An Ostern gehen sie in die Gnadenkirche nach Heumaden. Foto:  

In den Flüchtlingswohnheimen auf der Stuttgarter Filderebene wohnen viele Christen. Wir haben uns mit ihnen unterhalten, wie sie Ostern in ihrer Heimat feiern, ob sie in Stuttgart in die Kirche gehen – und was sie über all die Schokoladenhasen und Ostereier in den Supermärkten denken.

Filder - Wer sich mit Christen in den Flüchtlingsunterkünften auf der Filderebene unterhält, gewinnt den Eindruck, dass Ostern dort mindestens so wichtig ist wie in hiesigen Familien. Auf die Frage, ob die christlichen Bewohner in den vergangenen Wochen gefastet haben, reagieren sie verwundert, so selbstverständlich ist diese Tradition für sie. „Wir Iraker fasten sogar nicht nur 40 Tage vor Ostern, sondern 50 Tage lang“, sagt Hanna Polus Ghazalah. Er lebt in der Flüchtlingsunterkunft an der Kirchheimer Straße in Heumaden. Der 68-Jährige gehört der Chaldäisch-Katholischen Gemeinde an und ist ein regelmäßiger Besucher der Pauluskirche in Rohracker, wo sonntags Gottesdienste der irakischen Gemeinde stattfinden.

Während der Fastenzeit verzichtet Ghazalah auf sämtliche tierische Lebensmittel, und er versucht sich zusätzlich am sogenannten seelischen Fasten. Damit ist gemeint, dass er sich von schlechten Gedanken befreit. Er freut sich auf das Osterfest – nicht nur, weil dann die Zeit der Enthaltsamkeit ein Ende hat: „Ich habe mit meiner Familie in der irakischen Stadt Mossul gelebt, einer Hochburg des Islamischen Staats, dort werden Christen nicht gut behandelt. In Deutschland ist die Osterzeit schöner.“

Eritreer feiern Ostern in weißer Kleidung

Während Hanna Polus Ghazalah am Ostersonntag mit vielen anderen Irakern in der Pauluskirche ist, treffen sich die beiden Eritreer Yosief (31) und Temesgen (23), die in der Flüchtlingsunterkunft an der Helene-Pfleiderer-Straße in Degerloch leben, in der evangelischen Gnadenkirche in Heumaden. Seit dem Jahr 2004 ist dort die – in Stuttgart und der Region sehr große – eritreische Gemeinde mit beheimatet. „An Ostern kommen die Männer mit einem weißen Anzug in die Kirche und die Frauen mit traditionellen weißen Gewändern“, berichtet der 31-jährige Yosief. Außerdem schmücken sich die Menschen mit selbst hergestelltem Hand- und Kopfschmuck. „In Eritrea ist Ostern ein großes Fest. Im Ostergottesdienst klatschen wir Eritreer beispielsweise auch viel. Und ab dem achten Lebensjahr gehört das 40-tägige Fasten fest zu unserem Alltag.“

Hanna Polus Ghazalah (l.) und Rin Zhala Foto: Julia Bosch

Als er vor anderthalb Jahren als Flüchtling nach Deutschland kam und zum ersten Mal dort die Osterzeit erlebte, wunderte sich Yosief zunächst über die zahlreichen Osterhasen und Schokoladeneier in den Supermärkten und Bäckereien. „Ich habe meinen Nachhilfelehrer gefragt, was das bedeutet. Er hat mir den Brauch erklärt“, berichtet er. In Eritrea gebe es zwar an Ostern auch viele Süßigkeiten, allerdings nicht in der Form von Hasen oder Eiern.

Unterdessen ist den zugereisten Menschen die Tradition des Eierfärbens nicht fremd, auch in deren Heimat gehört dies dazu. Bereits im Mittelalter wurden in der Zeit vor Ostern Eier rot gefärbt, die rote Farbe sollte an das vergossene Blut Jesu und an seinen Tod am Kreuz erinnern. Erst viel später wurden die Eier auch in anderen Farben gefärbt. „In Albanien malen wir auch Eier bunt an“, sagt Rin Zhala (39), der mit seiner Frau und den zwei Kindern in der Unterkunft in Heumaden untergebracht ist und seit Oktober 2017 als Altenpfleger arbeitet.

In den Unterkünften wird Ostern nicht gefeiert

Am Ostersonntag wird in Albanien der sogenannten Dreimilchkuchen Perpeq aufgetischt, eine typisch albanische Spezialität mit Eiern, Sauerrahm, Sahne und Topfen. Außerdem grillen die meisten Familien gemeinsam; in den Wochen davor ist Fleisch und Alkohol streng verpönt. An Sonntagen und auch am Ostersonntag geht Rin Zhala zum klassischen Gottesdienst in die Gnadenkirche nach Heumaden. Obwohl ihm das Sprechen der deutschen Sprache noch etwas Mühe bereitet, versteht er fast jedes Wort. Ein Gottesdienst auf Deutsch ist kein Problem für ihn.

Und obschon das Osterfest Flüchtlinge und Einheimische verbindet, so gibt es doch einen großen Unterschied: Die Verwandten, Freunde und teilweise auch die engsten Familienmitglieder fehlen den Geflüchteten. Diese leben teils in Flüchtlingslagern auf der ganzen Welt verteilt. Die klassischen Verwandtschaftsbesuche und privaten Osterfeste fallen für die meisten geflüchteten Menschen aus – und in den Flüchtlingsunterkünften wird nicht gefeiert. „Wir Mitarbeiter von den Institutionen, die sich um die soziale Betreuung in den Unterkünften kümmern, halten uns da völlig raus“, sagt Björn Gieseler vom Deutschen Roten Kreuz. Er ist Ansprechpartner für die Bewohner in der Unterkunft an der Helene-Pfleiderer-Straße in Degerloch. „Wir fragen auch bewusst nicht nach der Religion der Bewohner, die hat bei uns nicht zu suchen.“ Allerdings würden sich die Bewohner untereinander in der Regel schnell näher kennenlernen und gingen dann meist gemeinsam zu den Gottesdiensten – gerade an Ostern.