Ein ICE bei Bad Krozingen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald): An der Rheintalbahn ist Lärmschutz das große Thema Foto: dpa

Bei der Finanzierung des Filderbahnhofs haben Land und Bahn jetzt einen Konsens gefunden. Das Land hält zwar den Kostendeckel, zahlt aber dennoch mehr – für mehr Leistung. Wurde damit ein Präzedenzfall für die Rheintalbahn oder die Elektrifizierung der Südbahn oder Hochrheinverbindung geschaffen?

Stuttgart - Die Bahn baut, das Land zahlt: Dies soll in Baden-Württemberg keineswegs einreißen, heißt es im Verkehrsministerium. Denn im Grundgesetz ist geregelt, dass der Aus- und Neubau von Schienenwegen Aufgabe des Bundes ist.

Die Realität sieht oft aber anders aus. Jüngstes Beispiel: Die Einigung, wer am neuen Filderbahnhof im Zuge von S 21 was bezahlt. Nach jahrelangem Tauziehen hat das Land mit der Bahn jetzt die Variante „drittes Gleis“ vereinbart und einen kreuzungsfreien Ausbau der Rohrer Kurve. Dadurch werde der Betrieb flexibler und die Fahrpläne der S-Bahn sowie der Regional- und Fernzüge würden stabiler, so die Argumentation.

„Davon profitiert das Gesamtsystem aus S-Bahn und Gäubahnzügen im Filderbereich“, so das Ministerium. Bei dem Deal hat das Land jetzt darauf geachtet, den Kostendeckel von 930 Millionen Euro zu halten: Die Landesregierung hatte sich nach der Volksabstimmung 2011 darauf festgelegt, dass sie über die vertraglich vereinbarten Zahlungen für Stuttgart 21 hinaus keine weiteren für das Projekt leisten wird.

Und dennoch kommt das Projekt das Land jetzt rund zehn Millionen Euro teurer. Denn im Paket mit dem „dritten Gleis“ und dem kreuzungsfreien Ausbau der Rohrer Kurve wurde jetzt auch ein Regionalbahnhof in Stuttgart-Vaihingen vereinbart. Das Land finanziert den bislang bei S 21 nicht vorgesehenen Bau von zwei dauerhaften Regionalbahnsteigen am Bahnhof Stuttgart-Vaihingen sowie die Mehrkosten für eine Nutzbarkeit dieses Bahnhofs auch für Fernzüge.

Das Land zahlt unter dem Strich mehr

Mit diesem Konstrukt wird zwar der vertraglich vereinbarte Kostendeckel von 930 Millionen Euro gehalten, dennoch zahlt das Land unter dem Strich mehr. Dabei hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erst jüngst beim Redaktionsbesuch unserer Zeitung gesagt, es liege an der Bahn, auf den Fildern eine funktionierende und genehmigungsfähige Planung vorzulegen. „Es geht nicht, dass bei der Bahn dauernd schlechte Planungen gemacht werden und wir dann zahlen sollen.“ Bauherr sei die Bahn, und das Eisenbahn-Bundesamt genehmige. „Sonst ruinieren wir die Grundlagen der Politik“, so Kretschmann.

Noch gravierender als bei S 21 bitte der Bund das Land bei der Rheintalbahn zur Kasse, kritisierte Kretschmann. Dort geht es um Lärmschutz. So hat bereits der Landtag unter der schwarz-gelben Regierung 125 Millionen Euro für den Abschnitt Freiburg und Markgräflerland bewilligt. Weil aber die Anwohner an den übrigen Abschnitten das gleiche Recht auf Lärmschutz haben, gibt es nun mehr und mehr Forderungen.

Bei Müllheim haben Bürger inzwischen eine Alternativplanung für eine Tieflage vorgelegt, die allerdings zwischen 65 und 168 Millionen Euro mehr kosten würde als die bestehende Planung. Auch dort soll Baden-Württemberg nun die Hälfte der Kosten tragen. Bisher weigert sich das Land: Die Forderung der Bürger sei zwar legitim, womöglich aber nicht sinnvoll, sagt ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Denn das Lärmthema sei auch mit dieser Variante vielleicht nicht ganz gelöst. Südlich von Offenburg könnten Forderungen über weitere 57 Millionen Euro auf das Land zukommen, wenn die Bahn an der Autobahn ausgebaut wird.

Anwohner machen ordentlich Druck

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) weiß, dass das Land zu diesen Zahlungen nicht verpflichtet ist. Die Anwohner machen aber Druck und fordern die jeweils beste Lösung. In der Region am Oberrhein stoßen die bisherigen Planungen der Bahn auf erhebliche Widerstände. Beim Regierungspräsidium (RP) Freiburg sind gegen die von der Bahn vorgelegten Pläne mehr als 172 000 Einwendungen eingegangen.

So könnte das Land auch am Rhein wieder Ausnahmen machen: „Für die Finanzierung der Bundesschienenwege ist grundsätzlich der Bund zuständig. Das Land wird sich nur ausnahmsweise beteiligen, wenn dadurch mehr Lärmschutz erreicht wird oder der Nahverkehr profitiert“, sagt Hermann.

Bei der Südbahn zwischen Ulm und Friedrichshafen argumentiert die Bahn mit einem höheren Unterhaltungsaufwand nach der Elektrifizierung der Strecke – der Bund fordert deshalb mehr Geld aus Baden-Württemberg. Das Land hält der Bahn entgegen, sie verdiene später auch mehr auf der Strecke, wenn mehr Züge verkehren. Von den 200 Millionen Gesamtkosten trägt das Land 90 Millionen plus die Planungsleistungen: „Dort ist jetzt definitiv der Bund am Zug“, heißt es aus dem Ministerium von Winfried Hermann.

Bei der Elektrifizierung der Hochrheinverbindung hat der Bund sich bereits ausgeklinkt, weil dies eine Nahverkehrsstrecke sei. Wieder ist das Land gefordert. All dies soll aus einem Verkehrsetat gestemmt werden, der im Doppelhaushalt 2015/2016 850 Millionen Euro umfasst.

Hier soll das Land zahlen

Rheintalbahn: Die Rheintalbahn gehört zum wichtigsten europäischen Güterkorridor von Rotterdam nach Genua. Die Achse der ARA-Nordseehäfen (Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen) zum Mittelmeerhafen Genua verbindet die stärksten Wirtschaftsräume des Kontinents miteinander. In ihrem Einzugsgebiet wohnen 70 Millionen Menschen. 50 Prozent (700 Millionen Tonnen jährlich) des Nord-Süd-Güterverkehrs werden auf der Schiene abgewickelt. Bund und Bahn wollen die Strecke zwischen Karlsruhe und Basel um zwei Gleise erweitern. In der Region stoßen die Planungen vor allem wegen des Lärmschutzes und der Trassenführung auf Widerstände.


Südbahn: Diese Strecke ist eine von nur noch ganz wenigen zweigleisigen nichtelektrifizierten Hauptbahnen in Deutschland. Sie erschließt seit 150 Jahren die Region Bodensee/Oberschwaben und dient als europäische Verkehrssachse ins österreichische Vorarlberg und in den ostschweizerischen Raum. Um die Realisierung voranzutreiben, hat sich das Land freiwillig bereiterklärt, die Hälfte der Investitionskosten zu tragen.

Hochrheinstrecke: Die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke von Basel über Waldshut nach Schaffhausen und Singen ist ein gemeinsames Ziel des Landes Baden-Württemberg, der Landkreise Lörrach und Waldshut sowie der Schweizer Kantone Basel, Aargau und Schaffhausen. Baden-Württemberg sieht die Zuständigkeit für die deutsche Seite beim Bund, hat aber zwei Millionen Euro für die Planung im Rahmen einer Interreg-Kofinanzierung als freiwillige Leistung zugesagt. (mo)