Wer Kornblumen auf den Weizenfeldern wachsen lässt, der schafft auch Lebensraum für Insekten. Foto: dpa

Das Insektensterben beschäftigt auch die Landwirte. Ein Biobauer und ein Vertreter der traditionellen Landwirtschaft äußern sich dazu unterschiedlich. Wir verraten, was sie sagen.

Filder - Autofahrer mit jahrelanger Fahrpraxis erleben den Lauf der Zeit an ihrer Windschutzscheibe. Früher mussten sie die Frontscheibe für den Durchblick immer wieder von Insektenkadavern reinigen. Dies erübrigt sich nun schon seit einigen Jahren. Was der Fahrer als bequem einschätzt, ist in Wirklichkeit fatal: Es ist die Auswirkung des Insektensterbens. Der Biologe Martin Hasselmann, Professor am Lehrstuhl für Nutztierwissenschaften an der Universität Hohenheim, hatte jüngst auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt, dass innerhalb der vergangenen 30 Jahre 75 Prozent der Insekten verschwunden sind. Als Ursachen führte er den Verlust an Lebensraum und übermäßiges Düngen an. Deshalb forderte er die von „der Politik gewollte und von ihr unterstützte Agrarwende“ mit moderater Düngung und der Aussaat von Blühmischungen als Insektenheimat auf einigen Prozent der landwirtschaftlichen Anbaufläche.

Auch für das Unkraut Platz auf dem Feld lassen

Martin Schäfer hat die Agrarwende ganz ohne Politik vollzogen, sondern aus eigener Überzeugung. Der heute 66-Jährige hatte im Alter von 22 Jahren mit seiner Frau Martina den elterlichen Hof in Echterdingen übernommen und so umgemodelt, dass die Produktion den Demeter-Richtlinien entspricht, die in ihren Grundzügen von dem Anthroposophen Rudolf Steiner entwickelt wurden. „Das ständige Spritzen gegen Unkraut raubt den Insekten die Nahrung“, sagt Martin Schäfer. Damit nehme man aber nicht nur den Insekten, sondern auch Vögeln, Rebhühnern und Hasen die Lebensgrundlage. „Wir leben nicht im Labor, sondern in der Natur“, sagt der Ökolandwirt, der von Feldern nichts hält, auf denen nur Weizen, aber keine Kornblume wächst. Er rät: „Wenn man eine vielfältige Kulturlandschaft erhalten will, dann sollte man mit dem so genannten Unkraut nicht so streng umgehen.“

Städte und Grundbesitzer sollen mit Überlegung Land verpachten

Für die Bauern, sagt Martin Schäfer, gebe es Programme der EU, wenn sie – je nach Größe ihrer Betriebe – bestimmte Flächen der Nutzung entzögen und der Natur zu Verfügung stellten. „Dort könnten verschiedene Blütenpflanzen eingesät werden. Meiner Auffassung nach sollte dies jeder machen. Dafür gehört von den Regierungen Druck gemacht, von der EU über die Bundesregierung bis zu den Landesregierungen.“ Als Biolandwirt dünge und spritze er nicht mit Chemikalien: „Ich dulde das Unkraut in gewissem Maße und dünge mit Mistkompost.“ Für diese Toleranz brauche man einen Bewusstseinswandel der Landwirte. Außerdem sollten die Städte und die Grundbesitzer genauer als bisher überlegen, an wen sie landwirtschaftlich nutzbare Flächen verpachteten, „damit nicht das letzte Kilo vom Feld geholt wird“. Nur so lasse sich eine lebendige Landschaft gestalten.

Auf die Frage, ob auf den Feldern der Filder auch mit dem umstrittenen Glyphosat-Herbizit Round-up von Monsanto gegen Unkraut vorgegangen werde, antwortet der Bio-Landwirt diplomatisch: „Ich frage meine Kollegen nicht, womit sie spritzen. Wenn man aber im Herbst Äcker sieht, die gar keinen Bewuchs haben, dann muss man sich schon überlegen, woran das liegt.“

Bei mehr als 28 Grad Wärme leiden Kirschessigfliegen und Läuse

Für den Obmann der Bernhäuser Landwirte Ernst Schumacher ist der Klimawandel der Hauptverursacher der Misere. Dieser sei „sehr bedenklich“. Allerdings habe man durch die gegenwärtig hohen Temperaturen keine Probleme mit der Kirschessigfliege und mit Läusen. „Sie vermehren sich bei höheren Temperaturen als 28 Grad nicht mehr.“ Daraus folgert der Obmann: „Ich weiß nicht, ob sich die Leute, die darüber forschen, im Klaren sind. An den Läusen sieht man deutlich, dass Insekten hier mit dem Klima nicht zurecht kommen. Sie stellen ihre Tätigkeit ein. Wir haben also in mancher Hinsicht auch Glück.“ Durch die vom Klimawandel erzeugte Hitzeperiode seien die Filder nur wegen ihrer guten Böden und zum Teil wegen der Beregnung vor dem Schlimmsten bewahrt worden. Deshalb gelte es, diese Böden zu schützen, statt sie mit Straßen oder Gebäuden zu überziehen.

„Ohne Wasser gibt es kein Leben“, sagt der Landwirt. Deshalb müsse man damit beginnen, Staudämme oder andere Wasserreservoirs zu bauen, damit man in künftigen Dürreperioden Wasserreserven habe, die man bei Bedarf abrufen könne.