Foto: Leif Piechowski

Wer die Umplanung zahlt, ist offen. Außerdem sind die Kosten sind unklar. Die Bürger sind enttäuscht.

Stuttgart - Bahn-Vorstand Volker Kefer und Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) haben am Freitag im Kongresszentrum der Landesmesse die Teilnehmer des Filder-Dialogs über ihre Pläne zum Schienenanschluss des Flughafens informiert. Eine Woche zuvor hatte der Dialog sich für den Erhalt der alten Gäubahn-Gleise durch Stuttgart ausgesprochen. Sie sollten im Talkessel an den Tiefbahnhof angeknüpft werden. Als zweitbeste Lösung galt, den geplanten neuen Fernbahnhof am Airport auch für die über die S-Bahn-Gleise anrollenden Züge der Gäubahn zu nutzen. Vor allem Leinfelden-Echterdingen lehnt den Mischverkehr auf der S-Bahn ab.

Hermann trägt am Freitag vor 94 der 168 Dialog-Teilnehmer – darunter nur noch 33 von 76 zufällig ausgewählten Bürgern – die „Antworten der S-21-Projektpartner auf die Empfehlungen des Filder-Dialogs S 21“ vor. Noch zwei Stunden zuvor hatten die Projektpartner um einzelne Formulierungen des Beschlusspapiers gerungen. „Wir tragen die Ergebnisse gemeinsam vor, ich muss meine Gabe zur freien Rede einschränken“, deutet der Verkehrsminister die Schwierigkeiten der Einigung an. Bahn-Technikchef Volker Kefer steht dabei auf Tuchfühlung zu ihm. Vielleicht, um Lesefehler zu vermeiden.

Ihm obliege nur „das zu bestätigen“, was Hermann sage, so Kefer. Begleitet von Missfallensrufen aus dem Publikum begründet er, warum die Bahn den von Grünen-Staatsrätin Gisela Erler organisierten Dialog zwar gebilligt hat, in Sachen Gäubahn aber kompromisslos ist: Die Anbindung der alten Gäubahn an den neuen Durchgangsbahnhof „hätte Stuttgart 21 grundsätzlich in Frage gestellt“. Dadurch wären „die Grundfesten von Stuttgart 21“ erschüttert worden, und „ein anderes Projekt entstanden“ so der Bahn-Vorstand. Die von Hermann propagierte Gäubahn-Variante müsse daher als „nicht konsensfähig“ abgelehnt werden. Den Ergebnissen des Dialogs sei „Respekt zu zollen“, sagt Kefer. Er erntet dafür Buh-Rufen aus dem Publikum.

Der Kostendeckel von Stuttgart 21 darf nicht gesprengt werden

Und so sehen die Ergebnisse aus: Die Pläne für den Flughafen-Anschluss sollen verbessert werden, indem der geplante Umbau der S-Bahn-Station für den Mischverkehr entfällt. Der neue Fernbahnhof nimmt Züge aus Richtung Stuttgart, Ulm und der Gäubahn auf. Er rückt unter die Flughafenstraße, näher zu den Terminals. Bauliche Machbarkeit, Kosten und Finanzierung sollen bis Oktober geprüft werden. Der Kostendeckel von Stuttgart 21, der bei 4,5 Milliarden Euro liegt, darf nicht gesprengt werden. Ob die Lösung, wie die Bahn behauptet, 100 Millionen Euro mehr kostet als die bisherigen Pläne, ist unklar. Wenn doch, müssen die Projektpartner verhandeln.

Sollte der Schienenverkehr stark zunehmen, reicht die Kapazität nicht mehr aus. Deshalb soll der Regionalverband eine zusätzliche Trasse für Fernzüge von Vaihingen entlang der A 8 zum Flughafen absichern. Die alte Gäubahn wird nicht ganz vergessen: Die Region soll zusammen mit Stadt, Land und Bahn für die künftige Nutzung bis Jahresende Vorschläge erarbeiten.

Von Leinfelden-Echterdingen, dessen OB Roland Klenk (CDU) sich dem Dialog nach der ersten Runde verweigert hatte, wird eine „maßgebliche Finanzierungsbeteiligung“ für einen zusätzlichen Lärmschutz entlang der S-Bahn erwartet. Rasch geprüft werden soll letztlich, ob Nahverkehrszüge der Gäubahn an einem neuen Bahnsteig in Vaihingen halten könnten. Das ermöglicht einen besseren Wechsel auf die S-Bahn zum Flughafen. Zumindest so lange, bis S 21 fertig ist.

Schuster: „Der Einsatz der Bürger hat sich gelohnt“

Stuttgarts OB Wolfgang Schuster (CDU) kommentiert das Ergebnis so: „Uneingeschränkt von einem Erfolg zu reden ist nicht angebracht. Aber der Dialog hat eine optimierte Lösung gezeigt. Der Einsatz der Bürger hat sich gelohnt.“ Auch Jürgen Wurmthaler vom Regionalverband und Flughafen-Chef Walter Schoefer loben. „Das Gesamtpaket nimmt Sorgen und Befürchtungen der Bürger auf“, so Schoefer. Der SÖS-Stadtrat und OB-Kandidat Hannes Rockenbauch geißelt das Ergebnis hingegen als „Planungskosmetik, die durch Bürger-Täuschung geadelt“ werde. Aus „Murks“ werde am Flughafen „Murks plus“.

In der kurzen, letzten Gesprächsrunde der Dialog-Teilnehmer gehen etliche Redner mit Land und Bahn hart ins Gericht. „Wir fordern die versprochene Transparenz – dazu gehört, dass sie endlich Kosten der Varianten offenlegen“, sagt ein Bürger. Eine Frau argwöhnt, dass „hier doch von vornherein festgestanden hat, was als Ergebnis ’rauskommt“. Andere Redner fragen erbost, weshalb man über Varianten diskutiert habe, die im Nachhinein betrachtet „gar nicht in Frage gekommen wären“; oder sie werfen Land und Bahn „unrealistische Versprechen“ vor.

Es gibt auch positive Reaktionen aus dem Plenum. Aber sie in der Minderheit. „Es war gut, dass ein Dialog stattgefunden hat – aber über die Ergebnisse sind wir enttäuscht“, meint ein Mann. In der abschließenden offenen Aussprache bemühen sich Hermann und Kefer um einen zuversichtlichen Auftritt. „Ich werde mich kümmern und dafür einsetzen, dass wir das hier Vereinbarte abarbeiten“, verspricht der Minister. Der Manager erinnert an die Volksabstimmung. Mit ihr sei das Projekt S 21 mit der Gäubahn zum Flughafen landesweit legitimiert worden.

„Uns wurde versichert, dass Mehrheitsentscheidungen des Dialogs ernsthaft geprüft werden“, entgegnet Steffen Siegel. Wenn Land und Bahn nun die Gäubahn-Variante verwerfen, sei das nur „lächerlich“, so der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Filder. „Hätten wir uns den Dialog sparen können?“, fragt Moderator Ludwig Weitz. „Nein“, sagt Kefer. „Das Ergebnis stand nicht von vornherein fest.“ Dafür erntet er lautstarke „Lügner“-Rufe aus dem Publikum. Mehrmals muss Weitz die rund 70 Zuschauer um Mäßigung bitten. „Wir kommen uns heute vorgeführt vor“, fasst Siegel die Gefühlslage der S-21-Kritiker zusammen.