Umstritten ist vor allem die Nutzung der S-Bahn-Gleise. Foto: Leif Piechowski

Kritik am Auftritt des Anwalts Armin Wirsing wird laut – Am 13. Juli soll es ein Ergebnis geben.

Leinfelden/Stuttgart - Der Filder-Dialog soll „modellhaft“ für die Qualität der Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg werden, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Das sind hohe Erwartungen, wenn an diesem Samstag um 10 Uhr in Leinfelden-Echterdingen das Bürgerbeteiligungsverfahren zu den Stuttgart-21-Planungen auf den Fildern beginnt.

„Die heutigen Spielräume auf den Fildern sind sehr eng“, warnt Stuttgart-21-Sprecher Wolfgang Dietrich. Rahmenbedingungen wie die umstrittene südliche Anbindung der Gäubahn oder der Gesamtfinanzierungsrahmen für Stuttgart 21 von 4,5 Milliarden Euro seien gar „in Stein gemeißelt“, so Dietrich. Das sehen Kritiker und Gegner naturgemäß anders. „Das Fenster ist offen, wir sollten das nutzen“, sagt Ingrid Grischtschenko (Grüne). Für die Stadt- und Regionalrätin aus Leinfelden-Echterdingen bietet der Dialog „die Möglichkeit, die geplante, sehr nachteilige Mischnutzung der S-Bahn-Trasse durch Fern- und Regionalzüge noch zu verhindern“.

Auch der Lärmschutz auf den Fildern oder die Lage des neuen Flughafenbahnhofs sind umstritten. Der Dialog ist der vermutlich letzte Anlauf von Regierung und Bahn, den Konflikt vor Baubeginn wenigstens zu entschärfen. Dazu werden sich 83 Vertreter von Projektträgern, Kommunen und Bürgerinitiativen und 72 zufällig ausgesuchte Bürger aus Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt, Neuhausen und Stuttgart unter Leitung des Moderators Ludwig Weitz austauschen.

Kritiker sehen in dem Dialog eine „Alibiveranstaltung“

Neben der sogenannten Antragstrasse der Bahn, die bereits im regulären Genehmigungsverfahren beim Eisenbahn-Bundesamt vorliegt, sollen mindestens sechs Varianten diskutiert werden. Fünf der Varianten hatte die Bahn bereits in früheren Planungsstadien verworfen.

Sie reichen von kleineren Änderungen bei der exakten Lage des Flughafenbahnhofs bis zu einem komplett neuen Verkehrskonzept für S 21 im Filderbereich und darüber hinaus. „Nach heutigem Stand gibt es keine Variante, die innerhalb der rechtlichen, verkehrlichen oder finanziellen Vorgegebenheiten liegt“, betont Dietrich. Diesbezüglich wolle man den Bürgern „reinen Wein einschenken“.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Ergebnisse des Dialogs keinerlei verbindliche Wirkung auf das reguläre Genehmigungsverfahren haben. Von der Antragstrasse abzuweichen ist nur vorstellbar, falls sich die Projektpartner Land, Stadt Stuttgart, Region und Bahn sowie der Bund darüber einig wären. Ansonsten baut die Bahn ihre Antragstrasse. Kritiker sehen in dem Dialog deshalb eine „Alibiveranstaltung“.

Auch im Detail knirscht es ordentlich. Die Besetzung des Eingangsreferats zum Thema „Planungsrecht und Planungsverbindlichkeiten“ mit dem Stuttgarter Anwalt Armin Wirsing durch das Dialog-Vorbereitungsteam hat hinter den Kulissen einen harten Schlagabtausch ausgelöst. Das dokumentiert ein Schriftverkehr, der unserer Zeitung vorliegt: Zunächst äußert die Bahn in einer Beschwerde an Moderator Ludwig Weitz massive Zweifel an Wirsings Objektivität, weil dieser im Auftrag der Stadt Leinfelden-Echterdingen auch S-21-Gegner berät. In seiner Antwort bekennt Weitz, dass er von Wirsings Rolle „zu spät“ erfahren hat. Daraufhin bittet der Amtsleiter von Verkehrsminister Hermann, Weitz möge „nur die Nerven behalten“. Wirsing sagte unserer Zeitung, er sehe „keinen Grund“ für Zweifel an seiner Objektivität.

Außer der Antragstrasse werden fünf Varianten gezeigt

Neben Wirsing sollen an diesem Samstag von 10 bis 17 Uhr weitere Experten rechtliche und technische Rahmenbedingungen darstellen. Außer der Antragstrasse werden fünf Varianten gezeigt. Für die Debatte und die Suche nach einem Ergebnis sind weitere Dialoge am 29. Juni und 7. Juli geplant. Alle sind öffentlich. Am Samstag gibt es in der Halle 100 Zuschauerplätze. Live-Übertragungen im TV oder Internet gibt es nicht; die Sitzungen werden nur aufgezeichnet und sollen später online abrufbar sein.

Am Freitag, 13. Juli, wollen Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer bei einer öffentlichen Veranstaltung auf den Fildern die Ergebnisse des Dialogs aus ihrer Sicht bewerten und darlegen, welche Varianten gegebenenfalls vertieft untersucht werden sollen – oder nicht.

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