Fil, ohne Sharkey Foto: Promo

Stuttgarter Premiere: Der Entertainer und Comiczeichner Fil gastiert in der Rosenau.

Stuttgart - Für manche ist er der "komischste Deutsche der Welt" (Berner Zeitung), auf jeden Fall aber ist der Berliner Fil, bürgerlich Philip Tägert, momentan einer der anarchistischsten und originellsten Bühnenentertainer hierzulande. Fil singt über den harten Konkurrenzkampf von Eltern ("Mein Kind ist geiler als dein Kind"), parodiert Musikertypen, streitet mit seiner Hai-Handpuppe Sharkey und zeigt sich vor allem immer wieder als Meister der Improvisation. Im Rahmen des Kabarettfestivals kommt der Berliner, der schon vor seiner Bühnenlaufbahn als Comiczeichner ("Didi & Stulle") bekannt wurde, nun das (fast) erste Mal nach Stuttgart.

Fil, wie würden Sie beschreiben, was Sie auf der Bühne machen?

Fil: Ich würde mal sagen, ich bin Liedermacher (lacht), denn ich mache ja Lieder. Vielleicht ein bisschen wie Otto Waalkes, ich singe und rede ganz viel vorher. Und ich improvisiere immer sehr viel, ich mach mir keine Konzepte. Wenn ich auf Tour bin, spiele ich das, was mir gerade so einfällt.

Die Schwaben werden ja sowohl in Ihren Comics als auch in Ihren Bühnenprogrammen gerne sehr geschmäht. Haben Sie da keine Angst vor den Reaktionen hier?

Fil: Nein, im Gegenteil, ich bin ja der größte Fan von Schwaben, die zu Hause bleiben. Jeder Schwabe, der nicht nach Berlin kommt, ist mein Held! Insofern komme ich ja jetzt zu den guten Schwaben, von mir aus gesehen. Aber im Ernst: Ich mache zwar Witze über die Schwaben, aber eher, weil die sich im Grunde auch darüber freuen, dieses Gefühl hab ich jedenfalls. Die machen ja selber Witze über sich, und in Berlin ist das halt so'n Running Gag. Ich sage in Berlin übrigens auch, dass für mich Hamburger, Hessen oder Badenser auch Schwaben sind, das ist mittlerweile ein Synonym für die, die nicht in Berlin geboren sind. Aber ich denke eigentlich nicht in Nationalitäten.

Wie sind Sie eigentlich vom Comiczeichnen zum Alleinunterhalten auf der Bühne gekommen?

Fil: Durch lauter Zufälle. Ich wollte mal in einem besetzten Haus aus meinen Comics vorlesen, da hab ich mir gedacht, nur Lesen ist zu langweilig. Ich hab dann Lieder von meiner alten Punkband "Kollektiv Antiserum" und von meinem Bandprojekt "Teufel und Pistolen", das nie über den Probekeller hinaus kam, gespielt. Und dann wurde ich gleich gefragt, ob ich nicht noch mal auftreten will in der Scheinbar, einem kleinen Laden in Berlin. Da hab ich die Montage und Dienstage gespielt, etwa zehn Jahre lang, und es wurde immer erfolgreicher. Ich selbst hätte mir das nie als Beruf ausgesucht. Eine Verkettung von glücklichen Umständen.

Sie werden ja begleitet von Sharkey, einer Hai-Handpuppe, die seltsamerweise nur dann spricht, wenn Sie sich eine Hand vor den Mund halten. War Sharkey von Anfang an bei Ihren Auftritten dabei?

Fil: Nee, erst nach fünf, sechs Jahren, auch durch Zufall. Den hatte mir eine Freundin als Maskottchen geschenkt. Irgendwann lag er so auf'm Klavier, ich hab ein Klavierstück gespielt, und da hab ich angefangen, mich mit ihm zu unterhalten. Da ist er zum Leben erwacht.

Und seitdem nicht mehr wegzukriegen...

Fil: Naja, in Berlin ist er ja mittlerweile tot, ich habe ihn aufwändig sterben lassen. Aber die Leute waren total durchgedreht. Ich glaube, ich hatte zwei Jahre lang ein Drittel weniger Zuschauer. Alle wollten nur Sharkey. Die haben gerufen: "Wann kommt er?! Das ist Betrug!" Eine Frau mussten wir sogar rausschmeissen, die ist auf und ab gelaufen und hat nur noch geschrieen: "Sharkey! Sharkey!" Das hat mich angekotzt (lacht)! Aber mittlerweile hab ich ja klein beigegeben und mache einmal im Monat eine Sharkey-Show. Die ist immer ausverkauft! Ich persönlich finde, es ist nicht so witzig mit Sharkey. Es gibt witzige Momente, aber eigentlich ist das Unerwartete witziger. Wenn etwas eingefahren ist, wenn du weißt, was kommt, wenn du dich darauf freust, ist eigentlich der Humor weg. Kult ist immer der Feind des Humors.

Das ist ja ein Phänomen bei vielen sehr bekannten Komikern oder Kabarettisten: Sie kommen auf die Bühne, machen eigentlich gar nichts, und das Publikum lacht schon in Erwartung des Kommenden.

Fil: Ja, Helge Schneider ist da ein sehr gutes Beispiel. Ich finde ihn nach wie vor total witzig, aber sein Publikum ist so unwitzig, weil es über alles lacht. Das kann die Sache auch kaputt machen. Und du musst ja auch was riskieren als Komiker! Ich finde zum Beispiel gerade, wenn jemand dasteht und keiner versteht, was der Typ eigentlich will, wenn die Leute sagen: Was soll das? Is' ja schrecklich! - das ist doch witzig. Aber wenn alle denken: Okay, wir haben den Witz schon verstanden - dann ist er nicht mehr gut.

Trotzdem ist Sharkey in Stuttgart dabei?

Fil: Ja, in Stuttgart ist er dabei, weil er da noch nie war. Wenn ich irgendwo spiele, wo ich noch nicht war, dann nehme ich ihn mit, weil, ich mag ihn ja. Obwohl ich befürchte, dass Sharkey außerhalb von Berlin gar nicht so witzig ist. Denn er ist so eine typische Berliner Figur, dieser Beamten-Berliner, dieser nervige kleine Typ. Wenn ich mir jetzt vorstelle, es würde jemand aus Stuttgart nach Berlin kommen und hätte so einen schwäbelnden Hai dabei... das würde ich auch eher halbwitzig finden. Aber in Berlin liegen sie da auf dem Boden.

Beschreiben Sie mal kurz die Psychodynamik Ihrer Beziehung.

Fil: Wenn Sharkey auf die Bühne kommt, dann geschieht bei mir so eine leichte Persönlichkeitsspaltung, denn er redet tatsächlich sehr frei. Er ist irgendwie nicht auf meiner Seite, und er ist auch ehrlicher als ich. Wenn ich noch freundlich bin, würde Sharkey auch mal sagen: "Alles Arschlöcher hier!" Er spricht vieles aus, was man nicht aussprechen sollte, und weil er so klein ist und dieses Kindchen-Schema hat, kommt er damit natürlich durch. Er denkt sich auch tatsächlich Witze aus, ohne Scheiß! Ich hab bei einem Auftritt irgendwann mal zu ihm gesagt: Mann, denk doch mal nach! Und er: Denk du doch mal mit 'nem Finger im Kopf! Den Witz hab ich mir nicht überlegt, ich war wirklich überrascht (prustet los). Es ist manchmal echt unheimlich. Und ich bin manchmal auch richtig sauer, wenn Sharkey ein Lied singt, und er kriegt 'nen fetten Applaus. Dann ist das für mich wirklich ein schwerer Moment.

Vor kurzem hatten Sie dafür einen ziemlich glücklichen Moment: Sie haben die "Freiburger Leiter" gewonnen, den Preis der Kulturbörse in Freiburg, einer der wichtigsten europäischen Fachmessen für Bühnenproduktionen.

Fil: Das war auch so ein totaler Zufall. Ich hatte eine Zerrung am Bein und irre Schmerzen, und der Notarzt hat mir so richtige Elefantenpillen gegeben. Dann bin ich nach Freiburg und hab geflucht, weil es ja das Härteste überhaupt ist, vor Veranstaltern aufzutreten. Normalerweise wäre ich wohl aufgeregt gewesen, aber als ich dann auf die Bühne bin, war ich überhaupt nicht aufgeregt, weil ich total auf diesen Ruhigstellern war. Ich hab einfach so drauflos geplaudert und auch nicht gewusst, dass ich nur 20 Minuten habe. Und nach 20 Minuten hatte ich noch nichts gesungen, nur geredet, und hab mir dann noch schnell die Gitarre genommen und noch eine Minute ein Lied gesungen. Und jetzt ... mein erster Preis, ein Riesending.

Und nun kommen Sie das erste Mal nach Stuttgart. Warum eigentlich erst jetzt?

Fil: Genau genommen war ich ja schon mal in Stuttgart, in den 90ern im Classic Rock Café, das Comicmagazin Moga Mobo hatte mich eingeladen. Das war ein ziemliches Desaster, aber lustig, da waren halt wirklich nur Rocker. Und jetzt bin ich sieben Jahre lang gar nicht getourt, weil ich eine Tochter hatte - die hab ich immer noch, aber jetzt ist sie größer. Davor war mir das einfach zu anstrengend.

Der Auftritt von Fil & Sharkey in der Rosenau am Samstag, 26. März, ist bereits ausverkauft.