Die Drei vom Figurenkombinat: Sarah Chaudon, Esther Falk und Maik Evers Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Stuttgarter Figurenspieler namens Figurenkombinat bieten im Theater Fitz ganz großes Theater – und glaube bitte niemand, das sei nur etwas für Kinder! Ein Porträt.

Stuttgart - Eine etwas gruselig aussehende Katze hat ihren großen Auftritt. Kein Fell hat sie, dafür einen merkwürdig geformten Kopf. Die Figurenspielerinnen Esther Falk und Sarah Chaudon führen ihre Puppe geschmeidig über die Bühne des Zentrums für Figurentheater in Stuttgart (Fitz). Die Katze wiederum kuschelt sich an ihre menschlichen Ko-Stars. Wie das Zusammenspiel zwischen Mensch und Puppe funktioniert, erklärt Falk: „Man muss dem Material zuhören“, sagt die 38-Jährige. „Jede Figur funktioniert anders.“

Aktuell zeigt die Figurentheatergruppe namens Figurenkombinat im Fitz eine Produktion nach E.T.A. Hoffmanns Novelle „Der goldne Topf“. Warum sie sich ausgerechnet für dieses Werk entschieden haben, erklärt Falk: „Anselmus ist im Buch hin und hergeworfen zwischen verschiedenen Welten, die ihn alle auf ihre Seite ziehen wollen. Dadurch hat er keine Möglichkeit, seinen eigenen Weg zu gehen. Das fanden wir ein sehr zeitgemäßes Thema: die Frage nach Wahrheit, Wirklichkeit, Fake und Fantasie.“ Kennengelernt haben sich die Künstler während ihres Studiums des Fachs Figurentheater an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Sie beschlossen, auch nach der Uni weiter miteinander zu arbeiten. Die Szene ist klein, so Falk, denn Figurentheater kann man nur in Stuttgart und in Berlin studieren. Pro Jahrgang gibt es beispielsweise in Stuttgart nur sieben Studienplätze.

Es muss alles gut geplant werden – vor allem die Finanzen

Mehrere Figurenspieler und ein Musiker kommen seit etwa sieben Jahren regelmäßig in unterschiedlichen Besetzungen zusammen. „Das Figurentheater hat eine eigene Magie. Es hat mich schon zu Abizeiten fasziniert, da es per se verfremdet ist. Eigenschaften der Charaktere werden auf den Punkt gebracht“, sagt Gründungsmitglied Maik Evers. Sarah Chaudon ist zum ersten Mal in einer Produktion des Figurenkombinats dabei. „Ich habe vor meinem Studium gedacht, dass Figurentheater etwas für Kinder ist. Durch abstrakte Bilder drücken wir aber ernste Themen und Emotionen aus“. Falk bringt das Ziel der Gruppe auf den Punkt: „Es geht uns darum, Fragen statt Antworten zu liefern.“

Das Figurenkombinat realisiert jedes Jahr ein Projekt. Die Planungen beginnen frühzeitig, anderthalb Jahre vor der Premiere. Die erste und vielleicht schwierigste Herausforderung ist: Das nötige Geld für das Projekt zusammenzubekommen. Die Gruppe muss ein Theater als Spielort finden, das einen Startbetrag beisteuert. Sie stellen Anträge an Stadt, Land, Bund und Stiftungen, um eine Förderung zu bekommen. „Wir müssen finanziell und zeitlich genau kalkulieren “, sagt Evers. Die Gruppe spielt auch bei Festivals, und es zieht sie raus auf die Straße. Sie schätzen den direkten Kontakt zu den Menschen, da es dort keine Trennung von Publikum und Darstellern gibt. „Man erreicht auch Zuschauer, die sonst nicht ins Theater gehen.“

Gips, Lego, Handschuhe, Strumpfhosen – hier kann alles lebendig werden

Das Ensemble kauft die Figuren nicht, sondern stellt sie selber her. „Der bildnerische Aspekt gefällt mir sehr“, sagt Falk. Sie hat schon künstliche Bühnenpartner aus Materialien wie Gipsabgüssen, Legosteinen und Teilen von Handschuhen zusammengenäht. Die Puppen in „Der goldne Topf“ bestehen aus Strumpfhosen. „Das macht sie dehnbar und flexibel“, sagt der Regisseur Christian Müller. Er leitet zum ersten Mal das Bühnengeschehen beim Figurenkombinat. Ansonsten verwirklicht er mit dem freien Ensemble Citizen Kane Kollektiv Projekte und ist im Kinder- und Jugendtheaterbereich als Regisseur unterwegs, unter anderem beim Jungen Ensemble Stuttgart (Jes).

Das Ensemble tastet sich während der Probeprozesse an die Materialien und Objekten heran, die auf der Bühne eine Rolle spielen werden. „Im Figurentheater geraten die Dinge an sich in den Vordergrund“, sagt Evers. „Wir schauen, wohin sie uns führen.“ Dabei gehe die Verwendung der Dinge weit über ihre Alltagsfunktion hinaus. Eine Gefriertruhe verwandelt sich zum Beispiel im Stück in ein magisches Objekt. Die Gruppe möchte die Fantasie des Publikum beflügeln und es zu eigenen Assoziationen anregen.

Als nächstes kommt der „Zauberlehrling“ auf die Bühne

Dafür erzählen sie nicht einfach chronologisch und geradlinig eine Geschichte, sondern nehmen inhaltliche Aspekte und Charaktere auseinander, verwenden verschiedene theatrale Formen und Formate. Beim „Goldnen Topf“ sieht man nicht nur Puppenspiel, auch Musik und Multimediales verwandeln die Bühne in einen anderen Ort. Anders als früher versteckt sich der Spieler auch nicht mehr hinter seiner Figur, sondern ist präsent und darf mitspielen. Manche Puppen werden während der Vorstellung gefilmt und auf eine Leinwand projiziert. So können auch kleinere Figuren einen großen Auftritt bekommen: Sie werden im Stück sogar in eine Flussszene verfrachtet.

Nach dem Abenteuer mit E.T.A. Hoffmanns Anselmus im Fitz wird das Figurenkombinat einen weiteren berühmten Stoff bearbeiten: „Der Zauberlehrling“ feiert im Juni 2019 Premiere.