Sorgt für ein bisschen südländisches Flair im Stuttgarter Westen: das neugestaltete Ufer am Feuersee mit Freitreppe und direktem Zugang zum Wasser. Foto:Lichtgut/Oliver Willikonsky Foto:  

Das Südufer des Feuersee ist im vergangenen Jahr umgebaut worden. In 2018 sind die West- und Ostufer dran. Während für einige eine kleine Oase in der Stadt ist, fühlen sich manche Anwohner von Lärm und Müll gestört.

Stuttgart - Die Wohnung wird in vielen Großstädten durch den öffentlichen Raum ergänzt. Sie ist nicht mehr allein der Ort, an dem Menschen wohnen. Die Lebensqualität einer Stadt hängt auch davon ab, ob Menschen Orte finden, an denen sie sich treffen können, ein zweites Wohnzimmer quasi. Urbane Räume heißen diese Treffpunkte im Stadtplaner-Jargon.

Der Feuersee ist seit dem letzten Sommer so ein urbaner Raum. Für um die 600 000 Euro wurde das Südufer an der Rotebühlstraße umgestaltet. Das Highlight: der direkte Zugang zum Wasser. Die riesige Freitreppe lockt Tag und Nacht Leute an, die dort sitzen und aufs Wasser schauen, so wie die Marbacherin Diana Leymann. „Das neue Ufer wertet das Viertel immens auf“, sagt sie. „Es ist eine Oase in der Stadt.“ Vor 18 Jahren hat sie am Feuersee an der Rotebühlstraße gewohnt. „Da war das etwas zwielichtig hier“, erinnert sie sich.

Mittags treffen sich die Menschen dort zum Essen, danach sind die Mütter mit ihren Kindern unterwegs, flanieren am Wasser entlang; abends sitzen junge Leute auf den Treppen, trinken und hören Musik. So beobachtet es Bezirksvorsteher Reinhard Möhrle an schönen Tagen. „Der große Teil sieht die Umgestaltung positiv“, sagt er vorweg.

Vor allem junge Leute lieben im Sommer öffentliche Treffpunkte. Allerdings gibt es immer auch Menschen, die dort schon seit Jahrzehnte leben – lange bevor ihre Nachbarschaft zum öffentlichen Wohnzimmer umfunktioniert wurde.

Mit der Ruhe der Anwohner ist es am Feuersee am Wochenende offenbar vorbei: „Singend und schreiend“ zögen „die jungen Leute“ nachts um den See. Die Musik dröhne aus kleinen Lautsprechern. Je später der Abend, desto lauter schalle es über das Wasser. Das ist die Erfahrung von Herbert Schneider (Name geändert), der seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Er lebt seit 30 Jahren am Feuersee neben dem Trollinger. Abgesehen davon, dass ihm das Ufer vorher besser gefallen hat – da sei es ein idyllisches, beschauliches Plätzchen gewesen – nervt ihn der Lärm in der Nacht.

An sich seien die jungen Leute sicher „nicht böswillig“, glaubt er. Viele wüssten wohl einfach nicht, was erlaubt ist. Mehrfach hat er sich mit Bezirksvorsteher Möhrle und Ordnungsbürgermeister Martin Schairer auseinander gesetzt. Inzwischen hat die Stadtverwaltung neue Hinweisschilder mit einer Benutzungsordnung angebracht.

Doch wer nachts angetrunken durch die Straßen zieht, der liest keine Hinweisschilder. Ein ähnliches Problem gab es kürzlich mit der Stadtteilkneipe Sattlerei an der Tübinger Straße. Einige forderten eine Schließung der Außengastronomie um 22 Uhr. „Du lieber Gott“, sagt Schneider dazu. Bis Mitternacht hätte er gar nichts gegen Lärm. Mit dem Trollinger lebe man seit Jahren „friedlich“ zusammen. Aber orientalische Musik nachts um vier, das sei „doof“.

Im nächsten Jahr beginnt der weitere Umbau. Dann sind Ost- und Westufer dran. Dagmar Wernecke-Möller, auch eine direkte Anwohnerin, hofft nun auf eine bessere Planung: „Die Häuser stehen ja noch näher am Ufer als an der Rotebühlstraße.“ Auch sie ärgert der Lärm: „Auf der Freitreppe tummeln sich an warmen Tagen und vor allem Nächten viele Menschen bis in den frühen Morgen und lärmen unter Alkoholeinfluss.“ Auch über das, was von den Partyabenden übrig bleibt, ärgert sie sich – den vielen Müll in Form von unzähligen Wein-, Bier- und Schnapsflaschen in der Früh.

Generell beklagt sie die ständig überquellenden Mülleimer und die zugemüllte Promenade: „Die Umgestaltung des Ufers wurde auf dem Papier geplant. Die Realität sieht anders aus.“ Aus ihrer Sicht müssten die Eimer häufiger geleert und das Ufer einmal am Tag gereinigt werden. Auch sie war wenigstens etwas erfolgreich mit ihren Beschwerden beim Bezirksbeirat. „Zwei neue Mülleimer wurden aufgestellt“, sagt Möhrle.

Den Ärger der Anwohner kann der Bezirksvorsteher durchaus verstehen: „Wir können halt keine 100-prozentigen Lösungen anbieten.“ Deshalb seien manche zu Recht „gefrustet“. Auch ihn ärgert es, wenn Pizzakartons neben die Eimer geworfen werden. Oder wenn die Leute ihren Müll achtlos in den See werfen. „Das Rausholen ist richtig teuer.“ Allerdings wurde die Umgestaltung des Ufers in einer mehrteiligen, offenen Bürgerwerkstatt beschlossen, an der sich jeder beteiligen konnte. Auch beim Ost- und Westufer durften Anwohner ihre Wünsche für die Pläne äußern.

Die begeisterte Nutzerin Leymann hat Verständnis für die Nachbarn: „Die jungen Leute leben halt gerne nachts draußen und die Älteren beschweren sich.“ Das sei leider der Grundkonflikt in wohl jeder Innenstadt.