Das Stammhaus des berühmten Schwarzwaldhotels ist nach dem Feuer eine Brandruine. Foto: dpa

Die Traube in Tonbach ist das Aushängeschild für das Genussland Baden-Württemberg. Jetzt ist das Stammhaus des berühmten Schwarzwaldhotels eine Brandruine. Doch die Eigentümerfamilie will nicht aufgeben.

Baiersbronn - Das T hängt noch an der hölzernen Verkleidung des Vordachs, das R ist halb heruntergekippt, das A hat sich schon verabschiedet. Ein Feuerwehrmann fährt mit der Hebebühne nach oben und gibt noch einmal volles Rohr. Auch nach zwölf Stunden qualmt es aus der Traube in Tonbach, glimmen immer noch versteckte Glutnester in den Gasträumen. Die kleinen Fenster sind geborsten, die Holzrahmen verkohlt. Dort wo bis Samstagabend gebratene Entenleberscheiben mit gehacktem Trüffel und gegarte Medaillons vom bretonischen Hummer (Menüpreis 245 Euro) serviert wurden, tropft es von der Decke. Es ist das vorläufige Ende eines Sternerestaurants.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht vor dem dazugehörigen Hotelgebäude Renate Finkbeiner und zieht an einer Zigarette. Die Seniorchefin hält sich wacker. „Wir sind unendlich traurig. Das ist unsere Geschichte“, sagt sie. Allerdings sei niemand verletzt worden, und das sei das allerwichtigste. Das Stammhaus war wie üblich gegen 1 Uhr in der Nacht geschlossen worden. Der Nachtportier ging durch, dann war es leer. Der gegenüberliegende Hoteltrakt mit 150 Gästezimmern war hingegen voll belegt. Er blieb unversehrt. Ein weiteres Gästehaus, das über einen Gang mit dem Stammhaus verbunden ist, wurde vorübergehend geräumt. Die 63 Gäste konnten aber später wieder in ihre Zimmer.

Ein Haus mit vielen Erinnerungen

Der Schaden geht nach ersten Schätzungen in die Millionen, „aber wir sind gut versichert“, sagt Finkbeiner. Der ideelle Verlust sei hingegen gewaltig. „Für meinen Mann ist es besonders hart“, sagt die 67-Jährige und deutet auf drei Fensteröffnungen im ersten Stock, wohin auch der Feuerwehrmann in diesem Moment seinen Wasserstrahl lenkt. „Da ist mein Mann vor 71 Jahren auf die Welt gekommen.“ Heiner Finkbeiner führt das berühmteste Restaurant des Schwarzwalds und vielleicht auch ganz Deutschlands in siebter Generation.

Um 3.08 Uhr war in der Nacht zum Sonntag bei der Feuerwehr in Baiersbronn (Kreis Freudenstadt) der Alarm eingegangen. Beim Eintreffen seien ihm im Eingangsbereich bereits dichter Rauch entgegengekommen, sagt der Kommandant Martin Frey. Die talwärts gewandte Rückseite habe lichterloh gebrannt. Nach zwölfstündigem Einsatz sitzt der 50-Jährige erschöpft und unrasiert im aufgeklappten Heck des Einsatzwagens. Auch die meisten seiner 150 Kameraden von der Freiwilligen Feuerwehr des 16 000-Einwohner-Orts sind noch nicht wieder in den Betten. Schnell habe man das Feuer unter Kontrolle gehabt, doch gelöscht sei es damit noch lange nicht. Vor dem Dreikönigstag werde man keine Entwarnung geben können, da ist sich Frey zu diesem Zeitpunkt schon sicher. Ohne Unterlass werden durch 7,5 Zentimeter dicke Leitungen Minute für Minute 4000 Liter Wasser vom Tonbach hinauf gepumpt und auf das Dachgerippe des historischen Gebäudes gespritzt.

Suche nach der Brandursache wird schwierig

Wie es im Inneren des im Jahre 1789 erstmals urkundlich erwähnten alten Gasthauses aussieht, lässt sich nur erahnen. „Das Haus ist einsturzgefährdet. Da kann niemand rein“, sagt Frey. Auch die Feuerwehr löscht nur von außen. Dass die Sachverständigen der Kripo, die am Dreikönigstag die Ermittlungen aufnehmen, bei ihren Nachforschungen zur Brandursache weit kommen, glaubt er nicht. „Da ist nicht mehr viel zu finden.“ Er selbst mag sich an keinen Spekulationen beteiligen. Nur so viel: das Feuer sei wohl nicht in der Küche, sondern eher im Gastraum ausgebrochen. Dort seien acht Rauchmelder nahezu gleichzeitig angesprungen. Auch die Brandschutztüren hätten funktioniert. „Das war technisch auf dem neuesten Stand.“

Geholfen hat das nichts. Wer sich in den nächsten Tagen auf ein gutes Essen in der Schwarzwaldstube gefreut hat, hat Pech gehabt. Noch am Vormittag werden alle Reservierungen für die drei A-la-carte-Restaurants, die Köhlerstube, die Bauernstube und eben die Schwarzwaldstube, die allesamt in dem Gebäude untergebracht waren, storniert und die Gäste benachrichtigt. Gerade erst war der Küchenchef Torsten Michel in der 2020-er Ausgabe des Restaurantführers „Gault&Millau“ mit 19,5 von 20 Punkten ausgezeichnet worden und hatte damit für die Schwarzwaldstube den Platz in der deutschen Spitzengruppe behauptet. Doch jetzt ist die Küche weg. Das gesamte Haus ist nicht mehr zu retten. Was wird wohl aus den Sternen?

Harald Wohlfahrt ringt um Fassung

„Wir hoffen in der Katastrophe auf das Wohlwollen der Kritiker“, sagt Renate Finkbeiner. Derjenige, der 41 Jahre in der Schwarzwaldstube gearbeitet und das Haus in die Drei-Sterne-Kategorie gekocht hat, ringt an diesem Tag am Brandort ebenfalls mit der Fassung. Dabei ist Harald Wohlfahrt seit Sommer 2017, als er sich im Streit von den Finkbeiners trennte, gar nicht mehr zuständig. „Es ist ein Drama“, sagt der 64-jährige Spitzenkoch, der immer noch in Baiersbronn wohnt. In den frühen Morgenstunden sei er von den Sirenen der Feuerwehren geweckt worden, die durchs Tal zum Hotel rasten. „Von meinem Fenster aus habe ich Rauch aufsteigen sehen.“

Bereits am Morgen fährt er rauf und macht sich selbst ein Bild. „Es ist als, ob mein Wohnzimmer abgebrannt wäre.“ Der A-la-carte-Betrieb werde „vermutlich längere Zeit ruhen“, fürchtet Wohlfahrt. Zwar gebe es in einem anderen Gebäudeteil eine „sehr gute, prima funktionierende Hotelküche“, sie werde den Ausfall aber nur zum Teil auffangen können.

Der Wiederaufbau kommt

Viele kommen an diesem Tag aus Baiersbronn hinauf nach Tonbach, um den Schaden zu besichtigen. Alle Parkplätze entlang der Anfahrtsstrecke sind belegt. Spaziergänger wandern vom Bach hinauf zur Brandruine. Viele Familien sind darunter. „Dass das alte Glump abgebrannt ist, ist doch das Beste, was passieren konnte“, erklärt ein Papa seinem Sprössling. Die meisten sind anderer Meinung. Die Bevölkerung sei aufgewühlt, sagt der Bürgermeister Michael Ruf (parteilos). Auch er selbst sei betroffen. „Schließlich ist die Traube eine Institution im Ort“. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Restaurantbetrieb monatelang ruhe, sagt Ruf. Es sei eine Zäsur in der Erfolgsgeschichte des Hotels.

„Wir stehen als Familie jetzt zusammen und wollen das wieder aufbauen“, sagt der Juniorchef Matthias Finkbeiner (41). Ob es eine Rekonstruktion des alten Gebäudes geben wird oder einen kompletten Neubau, ist offen. „Wir hatten noch keine Krisensitzung“, sagt Renate Finkbeiner. Klar ist, dass von der alten Gebäudesubstanz des in den zurückliegenden Jahrhunderten vielfach umgebauten Stammhauses nach dem Abrücken der Feuerwehr nicht viel übrig bleiben wird. Nur die Zierhecke entlang der Balustrade ist wohl dank der kräftigen Wässerung erstaunlich grün geblieben.

Es geht weiter

Am Morgen steht auch der aktuelle Küchenchef Torsten Michel fassungslos vor der qualmenden Ruine. „Das Stammhaus war für mich wie ein zweites Zuhause – ich habe dort in den letzten 15 Jahren viele tolle Erlebnisse gehabt.“ Allerdings lebe die Schwarzwaldstube von den Menschen „und hier ist glücklicherweise niemand zu Schaden gekommen.“ Seine engsten Mitarbeiter – knapp 50 der 310 Hotelbediensteten arbeiten in Küche und Service des Restaurantbetriebs – haben jetzt erst einmal Urlaub. „Wir werden niemanden entlassen“, versichert Renate Finkbeiner. Es gebe genügend Einsatzmöglichkeiten in anderen Betriebsteilen. Und auch aus der Branche gibt es solidarische Signale, Mitarbeiter vorübergehend zu beschäftigen.