Die Vizepräsidentin des Europaparlaments Eva Kaili ist wegen Verdacht auf Korruption in ihrer Wohnung in Brüssel festgenommen worden. Foto: dpa/Christophe Licoppe

Die Vize-Präsidentin des Parlaments ist von der Polizei festgenommen worden. Das WM-Land Katar soll versucht haben, Entscheidungen zu beeinflussen.

Das Europäischen Parlament wird von einem massiven Korruptionsskandal erschüttert. Das Fußball-WM-Gastgeberland Katar soll mehrere Abgeordnete und Mitarbeiter bestochen haben. Die griechische Vizepräsidentin Eva Kaili ist im Zuge der Ermittlungen von der belgischen Polizei in ihrer Wohnung in Brüssel festgenommen worden. Zuvor hatte es bereits vier weitere Festnahmen in der belgischen Hauptstadt gegeben.

Quer durch alle Parteien ist das Entsetzen im Europaparlament groß. Daniel Freund, der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, warnt, Korruption sei die größte Bedrohung der Demokratie. „Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden“, sagte der Grünen-Politiker. Die deutsche Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer, zeigte sich schockiert. „Das macht mich fassungslos“, sagte die FDP-Politikerin. „Es ist völlig klar, dass das insgesamt negative Auswirkungen auf das Parlament hat.“ Der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten, Jens Geier hat die Griechin zum sofortigen Rücktritt aufgefordert.

Eva Kaili wird aus der Partei ausgeschlossen

Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament (S&D) teilte am Samstag mit, dass Eva Kaili ausgeschlossen worden sei. Auch in Athen gab die sozialistische Partei Griechenlands (Pasok), deren Mitglied die festgenommene Parlamentsvizepräsidentin ist, bereits am Freitagabend bekannt, dass die Politikerin „aus der Partei ausgeschlossen“ worden sei.

Neben der griechischen Politikerin wurden im Zuge der Ermittlungen noch vier weitere Personen festgenommen. Darunter ist ein parlamentarischer Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, der zudem Lebensgefährte der 44-Jährigen Kaili ist. Zudem wurden der ehemalige sozialdemokratische Europaabgeordnete Pier Antonio Panzeri aus Italien, der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der Italiener Luca Visentini sowie der ebenfalls aus Italien stammende Chef einer Nichtregierungsorganisation verhaftet.

Überraschende Rede im Parlament

Die deutsche Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini erinnert auf Twitter an eine Rede von Eva Kaili im Parlament, in der sie die Fortschritte von Katar in Sachen Demokratie und Menschenrechte hervorhob. Am 22. November erklärte die Griechin, die Fußballweltmeisterschaft sei „ein konkreter Beweis dafür, wie Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“. Katar sei „führend bei den Arbeitsrechten“. Anna Cavazzini schreibt, dass sie damals „sehr überrascht“ über diese Aussagen gewesen sei.

Nach Angaben der belgischen Bundesstaatsanwaltschaft fanden am Freitag insgesamt 16 Durchsuchungen in Brüssel statt, einem der Arbeitsorte des Europäischen Parlaments. Dabei habe die Polizei Datenträger und Mobiltelefone sowie Bargeld in Höhe von rund 600 000 Euro beschlagnahmt. Ermittelt wird demnach wegen „bandenmäßiger Korruption und Geldwäsche“. Dabei gehe es der Behörde zufolge um mutmaßliche Bemühungen „eines Golfstaats“ mit dem Ziel, „die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen, indem er beträchtliche Geldsummen zahlt oder bedeutende Geschenke macht“. Die belgische Bundesanwaltschaft nannte den Namen des betroffenen „Golfstaats“ nicht.

Diskussionen um WM-Vergabe an Katar

Seit der Vergabe der Fußball-WM an Katar reißen die Diskussionen nicht ab. Menschenrechtsorganisationen werden dem Land seit Jahren vor, die Menschenrechte Hunderttausender Wanderarbeiter aus Asien und Afrika zu missachten. Als Reaktion darauf setzte Doha Arbeitsrechtsreformen in Kraft. Diese wurden von Gewerkschaften zwar begrüßt, sie fordern jedoch weiterhin eine strengere Durchsetzung der neuen Regeln.

Der Skandal stößt unter den Brüsseler Abgeordneten eine hitzige Diskussion über bessere Lobby-Regeln an. Das Europaparlament gehöre zu den „transparentesten Europas“, erklärt Daniel Freund angesichts der Festnahmen sichtlich bestürzt – aber offensichtlich müsste diese Regelungen noch einmal deutlich verschärft werden.