Der Dortmunder Bus wird kurz nach dem Anschlag am 11. April vor dem Mannschaftshotel von der Polizei untersucht. Foto: dpa

Das Attentat auf den Dortmunder Mannschaftsbus hatte die Karlsruher Bundesanwaltschaft dazu verleitet, früh in die islamistische Szene zu verweisen. Nach der Festnahme bei Tübingen stellt sich die Lage neu dar. Terrorismus darf nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten, meint Matthias Schiermeyer.

Stuttgart - Nach der Festnahme eines Tatverdächtigen im Raum Tübingen entwickelt sich der Anschlag auf den BVB-Bus in Dortmund zu einem schweren Kriminalfall. Somit handelt es sich offenbar nicht um islamistischen Terror. Dies zu betonen ist wichtig in solch aufgeregten Zeiten, in denen hinter jeder Tat sogleich Dschihadisten vermutet werden. Das Ziel der Terroristen, praktisch wahllos Angst und Schrecken zu verbreiten, wäre somit längst erreicht.

Die Dinge auseinander zu halten, gilt auch so kurz nach den jüngsten Pariser Ereignissen, wo auf dem Prachtboulevard Champs-Élysées am Donnerstagabend ein Polizist erschossen wurde und weitere schwer verletzt wurden. Dort hat sich die Terrormiliz Islamischer Staat zu der Bluttat bekannt. Und schon beim ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag dürfte man sehen, dass Terrorismus in der Bevölkerung viele irrationale Ängste auslöst, was Frankreich wiederum nachhaltig verändern könnte, sollte die Rechtsnationalistin Marine Le Pen gewinnen.

Voreilige Schlussfolgerungen und Hysterie vermeiden

Die demokratischen Kräfte in Deutschland müssen diesen Gefahren widerstreben. Der Fall Dortmund lehrt, die Dinge mit Umsicht zu beurteilen, ohne in voreilige Schlussfolgerungen oder gar Hysterie zu verfallen. Dies gilt besonders für Sicherheitsbehörden und Medien. Nach dem Sprengstoffattentat in Dortmund hatte sich die Karlsruher Bundesanwaltschaft früh aus dem Fenster gelehnt und im Zusammenhang mit der Festnahme eines Tatverdächtigen in die islamistischen Szene gewiesen. Damit war für die Öffentlichkeit die zentrale Spur vorgegeben. Die vermeintlich in diese Richtung deutenden Bekennerschreiben ließen von vorneherein aber erhebliche Zweifel an dieser Einschätzung zu, auch wenn darin unter anderem der Abzug von Bundeswehr-Tornados aus Syrien gefordert wurde sowie von einer der Todesliste des Islamischen Staates die Rede war. Eine falsche Fährte. Besser wäre es wohl gewesen, wenn sich die Bundesanwaltschaft zurückgehalten hätte – was die Ermittler in den Tagen danach auch gemacht haben, bis sie nun den 28-jährigen Sergej W., einen Mann mit deutscher und russischer Staatsbürgerschaft, dingfest machen konnten. Angeblich soll der Mann in Freudenstadt wohnen.

Besonders perfide Tat aus reiner Habgier

Dass es sich bei ihm um den Täter handelt, erscheint zumindest plausibel. Er soll im Mannschaftshotel des BVB darauf bestanden haben, ein Zimmer mit Sicht auf den späteren Anschlagsort zu bekommen. Zudem hat er am Tag des Anschlags auf fallende Kurse der Aktie von Borussia Dortmund gesetzt und die Käufe offenbar aus dem Hotel heraus getätigt. Aus reiner Habgier ein solches Attentat zu planen, ist besonders perfide. Und sich dabei gegen prominente Fußballer zu richten, eröffnet eine neue Dimension von Kriminalität. Doch hat dies eine andere Qualität als religiös oder politisch motivierter Extremismus.

Was sich in Dortmund bei dem Anschlag ereignet hat, sehen Sie im Video: