Welche Pflichten hat ein Polizist, wenn er nach Feierabend die Uniform auszieht? Foto: dpa

Hat ein Polizeibeamter eigentlich ein Privatleben, wenn er auf Sündenfälle stößt? Darf er außer Dienst wegschauen oder macht er sich strafbar? Hinschauen lohnt sich jedenfalls, wie ein neuer Fall zeigt.

Stuttgart - Schichtende, nach Hause, Feierabend: Das gängige Arbeitszeitgesetz gilt für manche Berufssparten nicht immer – etwa für Polizeibeamte. Die müssen sich immer wieder mal als Feierabend-Fahnder zurück in den Dienst versetzen, weil sie als Privatmann auf Gauner und Ganoven stoßen.

Im jüngsten Fall ist ein Polizist am Donnerstagabend auf dem Heimweg, als er gegen 20.10 Uhr an einer Tankstelle an der Siemensstraße in Feuerbach auf einen Renault Laguna aufmerksam wird. „Der Wagen hatte ein Ausfuhrkennzeichen, dessen Gültigkeit abgelaufen war“, sagt Polizeisprecher Johannes Freiherr von Gillhaußen.

Was tun? Muss man denn hinter allem gleich Böses vermuten? Der 31-jährige Beamte arbeitet als Fahnder bei der Verkehrspolizei, kennt sich mit solchen Kennzeichen aus – und ruft deshalb gleich seine Kollegen herbei. Die entdecken noch mehr Ungereimtheiten. Einer hat einen slowakischen Personalausweis, der aber gefälscht ist. Auch sein slowakischer Führerschein – eine einzige Fälschung. Der Blick in die Polizeidatenbanken zeigt, dass es sich bei dem Slowaken in Wirklichkeit um einen 34 Jahre alten Serben handelt. Er ist wegen Eigentumsdelikten polizeibekannt, hat keine Aufenthaltserlaubnis. Ein Richter erlässt gegen ihn Haftbefehl. Der Tatverdacht gegen seinen 46-jährigen Begleiter, ebenfalls Serbe, erhärtet sich dagegen nicht. Auch das Auto ist offenbar nicht gestohlen.

Die Verdächtigen sind einschlägig bekannt

Immer wieder passiert es in der Freizeit

Die Erfolgsquote der Freizeit-Fahnder steigt. Erst am Sonntag hatte ein Polizist auf dem Weg zum Dienst einen Schaufenstereinbrecher festnehmen können. Der 49-jährige Täter wollte am Morgen am Augsburger Platz mit Spezialwerkzeug in einen Radladen eindringen und offenbar ein Fahrrad mitgehen lassen. Dabei wurde er gestört und in die Flucht geschlagen. Der Polizist war schneller und nahm den Verdächtigen fest.

Im April war ein Polizist in Karlsruhe erfolgreicher Freizeitermittler, als er einen Schmuckgeschäft-Einbrecher auf frischer Tat ertappte. In einem anderen Fall hatte ein Beamter auf dem Weg zum Dienst eine Auseinandersetzung in der Königstraße in der Innenstadt zwischen einem Mann und einer Frau beobachtet und eingegriffen. Am Ende wurde der 24-jährige Angreifer dingfest gemacht – und der Polizist leicht verletzt.

Was fordert die Rechtssprechung?

Doch wann soll ein Polizist von Privatmodus auf Dienstzeit umschalten? Muss er alles, was er privat mitbekommt, gleich im Sinne einer Denunziationspflicht anzeigen? Die Rechtssprechung bietet hier keinen Katalog an – es bleibt eine Grauzone. Dabei läuft ein Polizeibeamter stets Gefahr, bei Nichtanzeige wegen Strafvereitelung im Amt belangt zu werden. Der Bundesgerichtshof hat sich verschiedentlich mit dem Feierabend-Beamten beschäftigt. Notwendig sei ein Einschreiten bei Straftaten, die von Art und Umfang die Belange der Öffentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem Maße berühren, so die Richter. Dabei müsse der Beamte im Einzelfall entscheiden, ob es sich um eine mögliche Straftat handelt, die Rechtsgüter der Allgemeinheit oder des einzelnen betreffen, denen jeweils ein besonderes Gewicht zukommt. Mit anderen Worten: Lieber anzeigen als wegsehen.