Haben die Farbangriffe auf Obdachlose nun ein Ende? Die Polizei hat einen Verdächtigen geschnappt. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Können die Wohnungslosen in Stuttgart aufatmen? Seit Tagen sind sie Zielscheibe rätselhafter Farbattacken – doch nun vermeldet die Polizei die Festnahme eines Tatverdächtigen.

Die Farbattacken auf Obdachlose seit Anfang September dürften nun ein Ende haben: Die Polizei hat am Montag einen Tatverdächtigen gefasst – er sitzt nun in Untersuchungshaft. Eine Streife konnte den Mann auf frischer Tat ertappen. Am frühen Montagmorgen hatte er in der Kleinen Königstraße in der Innenstadt den elften Anschlag verübt.

Der jüngste Fall spielte sich am Montag gegen 4 Uhr in der Innenstadt ab. Eine Polizeistreife fand im Umfeld des Alten Schauspielhauses einen 41-jährigen Wohnungslosen, der kurz zuvor mit Farbe übergossen und dadurch geweckt worden war. Der Täter konnte nicht weit sein – nach ihm wurde sofort gefahndet. Eine andere Streife entdeckte den Verdächtigen 150 Meter weiter an der Ecke Marien- und Sophienstraße. Er war mit einem Fahrrad unterwegs und hatte Farbflecken an der Kleidung. Die Beamten nahmen ihn nach kurzem Fluchtversuch fest.

Polizeibekannt, ohne festen Wohnsitz

Eine kleine Überraschung: Der 45-Jährige ist selbst ohne festen Wohnsitz. „Der Verdächtige ist wegen Kleinstkriminalität bereits polizeibekannt“, sagt Polizeisprecher Sven Burkhardt. Darunter versteht man beispielsweise Sachbeschädigungen oder kleinere Diebstähle. Der polnische Staatsangehörige dürfte zuvor quer durch Deutschland unterwegs gewesen sein. In Stuttgart selbst allerdings sei er „bisher nicht aufgefallen“, so Burkhardt.

Nun prüft die Ermittlungsgruppe „Color“, ob der Verdächtige auch für die anderen zehn bekannten Farbangriffe verantwortlich ist. Seit dem 3. September wurden in der Innenstadt, im Stuttgarter Osten, in Bad Cannstatt, aber auch Obertürkheim schlafende Wohnungslose mit Farbe übergossen. Ob und welche Angaben der 45-Jährige zu den Vorwürfen machte, darüber ist nichts zu erfahren. Ein Richter hat am Montag Haftbefehl wegen Fluchtgefahr erlassen.

Nun zücken die Kölner ihre Ermittlungsakten

Eine rätselhafte Serie, die es nach Informationen unserer Zeitung zuvor bundesweit nur einmal gab – nämlich im Herbst 2021 in Köln. Auch dort hinterließ der Täter seine Handschrift, auch dort war ihm eine Ermittlungsgruppe auf der Spur – die allerdings keinen Verdächtigen ausfindig machen konnte. Dort werden nun wieder die Akten gezückt. In einem Fall, an der Wallfahrtskirche St. Maria, war ebenfalls ein Radfahrer als Täter beschrieben worden. „Wir stehen mit den Stuttgartern in Kontakt“, sagt der Kölner Polizeisprecher Philipp Hüwe, „und gleichen die Erkenntnisse mit unseren Fällen ab.“