Klangvoll: Kayus Bankole von den Young Fathers Foto: Michaela Weißhappel

Die diesjährige Auflage des Mannheimer Maifeld-Derbys hat wieder überzeugt: mit großen Namen und einem insgesamt hervorragend besetzten Programm.

Mannheim - Auf der ganz großen Bühne, in Moskau, freundlicherweise beim Mannheimer Maifeld-Derby auf eine Großbildleinwand projiziert, kicken am Sonntagnachmittag Jogis Jungs. Auf der großen Bühne des Festivals im Zelt spielt zeitgleich die britisch-amerikanische Band The Kills. Und auf der kleineren Nebenbühne, nur durch eine Tribüne von der Fernsehleinwand getrennt, steht der belgische Songwriter Tamino, dem ebenfalls die vermeintlich undankbare Aufgabe zuteilwurde, während des WM-Spiels der Deutschen sein Konzert bestreiten zu müssen.

Und wer ist in diesem Vergleich der große Verlierer? Tamino jedenfalls nicht. Das Wahnsinnstalent mit der unglaublich sonoren Dreioktavenstimme, schon jetzt mit einem guten Ruf gesegnet und demnächst gewiss noch weitaus mehr im Licht der Öffentlichkeit, spielt vor rund tausend Festivalbesuchern, nebenan vor der Videoleinwand sitzt gerade mal die Hälfte. Und The Kills treten im Zelt vor rund zweitausend Leuten auf.

Musik gegen Fußball: zwei zu eins

Das Duo um Alison Mosshart und Kate Moss’ Ex-Ehemann Jamie Hince tourt zurzeit mit den Foo Fighters, die Macher des Maifeld-Derbys haben die Band für einen exklusiven Festivalauftritt gebucht. Das sagt schon einiges über den Stellenwert, den sich das Mannheimer Festival bei seiner heuer achten Auflage mittlerweile erarbeitet hat. Dummerweise ist der Mann am Kills-Mischpult derzeit offenbar nur die Riesenarenen gewohnt, welche die Foo Fighters füllen, denn der Sound ist so brachial laut ausgesteuert, dass die Songperlen von Hince und Mosshart völlig zerdonnert werden und allen um ihre Ohren besorgten Besuchern das Heil nur in der Flucht bleibt.

Tamino hingegen wird nach seinem einstündigen Auftritt mit Ovationen im Stehen verabschiedet. Keck erzählt der junge, ausgebildete Sänger aus Antwerpen, der auf E-Gitarre statt Zauberflöte setzt, anschließend im Interview, dass ihn der Zuspruch nicht überrasche. Schließlich sei auch Colin Greenwood, der Bassist von Radiohead, spontan von ihm so angetan gewesen, dass er auf Taminos bei Caroline erschienener Debüt-EP „Habibi“ mitgespielt habe. Mittlerweile hat Tamino nun auch sein erstes Album aufgenommen, es soll im Sommer erscheinen. Danach will er auf Tour gehen, und das sollte man sich gewiss nicht entgehen lassen. Ein Glanzlicht, nicht nur dieses Festivals.

Das gilt auch für die Young Fathers, deren im März erschienenes drittes Album „Cocoa Sugar“ im Dezember sicher eine gewichtige Rolle bei der Wahl der Alben des Jahres spielen dürfte. In Mannheim haben die Mercury-Prize-Gewinner aus Edinburgh gezeigt, warum: Quirlig und mit Vollgas agieren die drei Sänger auf der Bühne, verstärkt durch einen donnernden Livedrummer präsentieren sie ihre Preziosen, die bei aller Feingliedrigkeit der Albumeinspielung live regelrecht mitreißend wirken.

Tolles und volles Programm

Ebenfalls im Programm des Festivals vertreten ist die junge Garde etwa mit Sam Vance-Law, Sudan Archives oder Kat Frankie ebenso wie erfahrene Kämpen wie Black Rebel Motorcycle Club oder Deerhunter. Als gefeierter Abschluss spielten am Sonntag die Eels (die in Mannheim ihre aktuelle Tournee eröffnet haben) sowie am Samstag die ungemein stoisch musizierenden Post-Metal-Veteranen Neurosis und die Editors. Letztere, die freilich – so die Höreindrücke auch aus Mannheim – immer mehr im Mainstream angekommen zu sein scheinen, spielten tags darauf beim Pinkpop-Festival in Holland vor knapp sechzigtausend Leuten; auch das zeigt, wo das Maifeld-Derby mittlerweile steht.

Dieses längst auch sehr international besetzte Festival hat sich zu einem vielfältig zusammengestellten und vorzüglich kuratierten Schaufenster der hochwertigen Musik jenseits der populären Bahnen gemausert, und es ist gerade damit populär geworden. Wie im Vorjahr kamen fast 15 000 Besucher an den drei Tagen zu rund siebzig Konzerten. „Wenn man bedenkt, dass durch ein massives Überangebot gerade im Juni der Markt derzeit komplett neu aufgeräumt wird und dabei viele Veranstalter auf der Strecke bleiben, ist das Stagnation auf verdammt hohem Niveau“, bilanziert der Veranstalter Timo Kumpf – und auch damit liegt er richtig.