Die Band Monsieur Periné hat am Dienstag das Sommerfestival der Kulturen auf dem Stuttgarter Marktplatz eröffnet Foto: Leif Piechowski

Vorurteile müssen draußen bleiben. So lässt sich das Motto des Festivals zusammenfassen. Doch sind Klischees verbreiteter als uns lieb ist? Wir schauen uns diese Woche auf dem Marktplatz um und nehmen dabei das eine oder andere Stereotyp unter die Lupe.

Stuttgart - Afrikaner sind laut. Zumindest wenn man einem gängigen Vorurteil Glauben schenkt. Angeblich kann man immer wieder lauthals lachende, bisweilen sogar schenkelklopfende Gruppen von Afrikanern in S-Bahnen beobachten. Für den pietistischen Schwaben ist das durchaus eine Herausforderung.

Manche behaupten ja, dass der Schwabe zum Lachen in den Keller geht. Da es in S-Bahnen aber kein Untergeschoss gibt, hat sich der Stuttgarter angewöhnt, bei der S-Bahn-Fahrt unbeirrt geradeaus zu starren. Eltern beantworten lästige Fragen ihrer Kinder allenfalls mit einem mürrischen „ja“, oder „nein“. Keinesfalls wollen Schwaben in der S-Bahn ein Gespräch mit Fremden beginnen. Das ist auch ein Vorurteil, finden Sie? Da haben Sie Recht. Test bestanden.

„Ich liebe das internationale Flair in Stuttgart“

Ein bisschen laut geht es am Stand des Afrikanischen Vereins Stuttgart beim Festival der Kulturen dann doch zu. „Wo sind die Plantains?“ ruft Asha Hauenstein. „Ich weiß es nicht“, antwortet eine Frau hinterm Tresen. Asha Hauenstein schlägt die Hände zusammen. „Wissen Sie, wie gut Plantains schmecken? Das sind gebratene Kochbananen. Morgen haben wir welche.“ Die 48-jährige gebürtige Kenianerin Asha Hauenstein ist schon seit über 25 Jahren mit einem Deutschen verheiratet. Seit vielen Jahren lebt das Paar in Stuttgart. „Das war meine Bedingung. Mein Mann ist aus Bayern, aber da hätten mich keine zehn Pferde hingebracht“, sagt sie und lacht. „Ich liebe das internationale Flair in Stuttgart“.

Inzwischen hat sich Marktplatz mit Menschen gefüllt, die erste Band beginnt zu spielen. Edeltraut Müller wippt im Takt zur Musik der kolumbianischen Gruppe Monsieur Periné. Sie nutzt den Rhythmus geschickt aus, um immer wieder einen Schritt auf überraschte Passanten zuzumachen. „Wollen Sie nicht mit einem Euro einen Schultag für ein indisches Mädchen finanzieren?“ Sie deutet mit dem Zeigefinger auf einen viereckigen Broschürenständer, an dem eine Art Adventskalender hängt, nur viel größer und mit einer Tasche für jeden Tag im Jahr. „Das ist der Geldbaum, wenn der voll ist, haben wir wieder den Schulbesuch eines Mädchens für ein ganzes Jahr finanziert“, sagt sie. Die 64-jährige Stuttgarterin sammelt für den Verein Mädchenschule Khadigram.

Vorurteile aus der Welt schaffen

Auch Corina Schönfelder aus Gerlingen und ihre Gasttochter Sofia Arango aus Kolumbien können bei der Musik nicht stillhalten. Corina Schönfelder hat sich extra einen kolumbianischen Hut, einen „Sombrero Vueltiao“ aufgesetzt. „Ich weiß zwar nicht, was das für ein Musikstil ist, aber es gefällt mir sehr gut“, sagt sie. Ein bisschen Jazz, ein bisschen Gypsy, ein bisschen Swing oder sogar ein bisschen Reggae?

Ein Rastafari müsste es wissen. Insa Mbaye, der Mann mit den imposanten Rastalocken der am Stand des Vereins Baye Fall lässig an einem Cocktailtisch lehnt, ist aber gar kein Anhänger der jamaikanischen Religion. „Ich gehöre zu einem Sufi-Orden, das ist eine Richtung des mystischen Islam“, sagt der 42-jährige. Der Senegalese kommt jeden Sommer nach Stuttgart, um seinen Bruder zu besuchen, und schaut dabei immer wieder gern beim Festival der Kulturen vorbei. „Viele denken wegen meiner Haare, dass ich ein Rastafari sei“, sagt er. Gut, dass nun auch dieses Vorurteil aus der Welt ist.