Feste und Jahrmärkte sind in Baden-Württemberg bis Ende Oktober verboten. Das bringt Schausteller und Marktkaufleute in die Bredouille, wie ein Beispiel aus dem Kreis Ludwigsburg zeigt.
Ludwigsburg/Asperg - Ein Jahr überleben wir schon“, sagt Karlheinz Wagner, aber an sein hart erspartes Geld muss der 52-Jährige ran. Normalerweise steht der Asperger von Mitte April bis Mitte Oktober auf Kirmessen und Märkten, auf dem Frühlingsfest in Stuttgart zum Beispiel, dem Schäferlauf in Markgröningen (Kreis Ludwigsburg) oder auf den Pferdemärkten in Heilbronn und Bietigheim. Im vergangenen Jahr hatten Karlheinz Wagner und seine Frau Bettina ihren Underground-Store in der Ludwigsburger Innenstadt, wo sie 13 Jahre lang jede Menge Skurrilitäten verkauften, aufgegeben, um sich auf die Märkte zu konzentrieren. Denn die liefen wesentlich besser.
Mehr als zwei Dutzend dieser Veranstaltungen, bei denen die Wagners normalerweise Lederwaren, Schmuck und T-Shirts verkaufen, sind abgesagt. Wagner hofft noch auf den Weihnachtsmarkt, darauf wetten, dass er stattfindet, will er aber nicht. Weil die Geschäfte im vergangenen Jahr gut liefen, haben die Marktleute einen zusätzlichen Verkaufsanhänger bestellt und angezahlt. Eigentlich wollte Wagner ihn in dieser Saison in Betrieb nehmen, „fragt sich nur, wie und wann“.
Die eigene Frau in Kurzarbeit geschickt
Viele andere Marktkaufleute und Schausteller haben ihre Verkaufswagen und Fahrgeschäfte derweil stillgelegt und ihre Autos abgemeldet. Es wird gespart, wo es geht. Karlheinz Wagner hat seine Frau, die bei ihm angestellt ist, in Kurzarbeit geschickt und sich bei einer Bank Rat geholt. „Irgendwie geht’s schon“, sagt der 52-Jährige. Weil sich die Wagners von der Politik im Stich gelassen fühlen, haben sie in dieser Woche gemeinsam mit Hunderten Leidensgenossen auf Demos in Berlin und München ihren Unmut kundgetan. „In Frankreich und Italien gibt es auch wieder Märkte, warum nicht auch hier?“, fragt Wagner.
Lesen Sie hier: Was in welchem Bundesland erlaubt ist – und was nicht
Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbunds (DSB), zeichnet ein düsteres Bild: „Einige Kollegen stehen mit dem Rücken zur Wand, ihre letzten Einnahmen stammen aus dem Weihnachtsgeschäft im vergangenen Jahr.“ Zwar profitieren theoretisch auch die Schausteller und Marktkaufleute von den 25 Milliarden Euro, die der Bund an sogenannter Überbrückungshilfe an Unternehmen zahlt. Ritter sagt aber, dass die Rahmenbedingungen für viele bürokratisch zu hoch gesteckt worden seien. Die Branche brauche Jahrmärkte und Feste.
In Baden-Württemberg sind ab dem 1. September zumindest Messen mit mehr als 500 Personen wieder erlaubt. Großveranstaltungen wie Volksfeste bleiben aber bis Ende Oktober verboten. „Ich kann doch auch im Flugzeug sitzen, warum also nicht auch im Karussell“, sagt Ritter. Zumal die Gefahr, sich im Freien anzustecken viel geringer sei. Den DSB-Präsidenten stört es, dass alle Großveranstaltungen in einen Topf mit dem Oktoberfest geworfen werden. „Es gibt ganz viele familienfreundliche Veranstaltungen, auf die nicht 100 000 Touris kommen, um zu saufen“, sagt Ritter.
Ein „Minimarkt“ als Lösung?
Karlheinz Wagner versucht, sich inzwischen so gut es geht, selbst zu helfen. Er hat bei mehreren Städten und größeren Einkaufszentren angefragt, ob er gemeinsam mit befreundeten Marktleuten auf Parkplätzen oder in Fußgängerzonen einen kleinen „Minimarkt“ mit sechs bis zehn Ständen veranstalten darf. Bislang gab es nur Absagen.
Immerhin: Im August darf Wagner seinen Stand für vier Wochen in einem großen Einkaufszentrum im hessischen Sulzbach aufbauen. Außerdem hat er die Erlaubnis, sein Sortiment auf dem Rewe-Parkplatz in Asperg anzubieten. „Vielleicht lassen sich da ein paar Umsätze generieren“, hofft er.