Trudel Wulle und Walther Schultheiß waren heiß begehrt. Foto: Archiv Bernklau

Veranstalter haben den Fernsehturm als Bühne geliebt. Die Schließung des Wahrzeichens stellt sie nun vor Probleme.

Degerloch - Der Kapellmeister ist sauer. Seine Tonlage verrät das – genauso wie seine Kommentare. „Ich bin so geladen und tief enttäuscht“, sagt Patrick Siben. Während der vergangenen sechs Jahre hat er in den Vollmondnächten mit seinem Orchester, den Stuttgarter Salonikern, auf dem Fernsehturm gastiert. „Für die Panoramakonzerte ist es das absolute Desaster“, sagt Siben und meint die Sperrung des Stuttgarter Wahrzeichens. Der Turmkorb ist für Besucher nicht mehr zugänglich, weil das Bauwerk die geltenden Vorschriften für den Brandschutz nicht erfüllt.

Für die Saloniker kam die Nachricht, dass der Turm ab sofort nicht mehr als Veranstaltungsort zur Verfügung steht, besonders überraschend. Am 27. März hatte der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn die für viele schockierende Neuigkeit verkündet, bereits einen Tag später war Besuchern der Zutritt zum Turm verwehrt.

Der Kapellmeister musste allen Kartenkäufern absagen

Just an jenem Donnerstag hatten die Saloniker zum Panoramakonzert auf den Fernsehturm geladen. Folglich hatte der Kapellmeister Patrick Siben alle Hände voll zu tun, den Konzertkartenbesitzern für den Abend abzusagen. Die Veranstaltung war ausverkauft – wie auch bei den allermeisten anderen Terminen.

Einen Ansturm gab es nicht nur bei den Panoramakonzerten der Saloniker. Der Stuttgarter Fernsehturm hat sich in den vergangenen Jahren zu einem höchst beliebten Ort für kulturelle Veranstaltungen gemausert, fürs Alte Schauspielhaus, das Theater Rampe, aber auch für Eigenproduktionen des SWR. Drei-, viermal die Woche war in luftiger Höhe etwas geboten.

Die Erfolgsgeschichte schlägt sich auch finanziell nieder: Im Jahr 2012 hat SWR Media Services, eine Tochtergesellschaft des Südwestrundfunks, alles in allem 200 000 Euro Gewinn verbucht. Das sei so viel gewesen, wie noch nie, sagt der SWR-Sprecher Wolfgang Utz.

Der SWR will zunächst das Gutachten abwarten

Wie sehr es schmerzen würde, wenn diese Einnahmen für immer wegfallen, darüber möchte Utz derzeit nicht spekulieren. Der SWR wolle zunächst das Gutachten abwarten, das er in Auftrag gegeben hat. Die Expertise soll zeigen, ob der Turm den Ansprüchen des Brandschutzes doch gerecht werden könnte, irgendwie.

Von dem Ergebnis des Gutachtens hängt ab, ob Manfred Langner wieder besser schlafen kann. Seit 2006 gibt es das „Theater über den Wolken“, eine der Bühnen des Alten Schauspielhauses. Der Intendant Langner sagt, dass er Verständnis für die Entscheidung der Stuttgarter Verwaltung habe. „Ich kann der Stadt keinen Vorwurf machen“, sagt er. „Trotzdem habe ich jetzt ein akutes Problem.“

Bis Mai hätte das „Theater über den Wolken“ das Mundart-Pärchen Walter Schultheiß und Trudel Wulle unter dem Titel „Was d’Leut so rausschwätzet“ präsentiert. Alle Veranstaltungen waren ausverkauft. Und das sei nur das eine Problem. Das andere seien die Produktionen, die für den Turmkorb geplant sind. „Das Ganze ist sehr kurzfristig gekommen“, sagt Langner.

Der Reiz war die Intimität

Für zwei Termine hat das Alte Schauspielhaus Ersatz (siehe Kasten links), die anderen werden wohl entfallen. „Es ist nicht einfach, Alternativen zu finden“, sagt Langner. Und schon gar nicht einzigartige wie den Fernsehturm. „Es war ein ganz besonderer Spielort. Der Reiz war die Intimität.“ Das Theater bot rund 60 Plätze.

Der Kapellmeister Patrick Siben sagt, er werde bis zum Sommer dafür kämpfen, dass die Saloniker wieder auf dem Fernsehturm musizieren dürfen. Er will eine Genehmigung zur Sondernutzung beantragen. Einige Fans hätten ihm signalisiert, dass sie notfalls auch unterschreiben würden, auf eigene Gefahr mit dem Aufzug nach oben zu fahren. Sollte das alles nicht helfen, sei die Konzertreihe tot, sagt Siben. „Dem Mond 150 Meter näher zu kommen, das war ja der Witz bei der Sache.“