Welche Rolle er auch spielt: Bei Alfred Heizmann ist der erhobene Zeigefinger immer in abgeschnittene Wollhandschuhe verpackt.Foto:SWR Foto:  

Alfred Heizmann ist das wichtigste Gesicht der Konstanzer Fernsehfasnacht. Der pensionierte Religionslehrer erbringt den Nachweis, dass der organisierte Frohsinn Klamauk sein darf und trotzdem eine gewisse Haltung haben kann.

Konstanz - Ausführlich hat Alfred Heizmann seinen Auftritt bei der Konstanzer Fernsehfasnacht im vergangenen Jahr genutzt, um ein Plädoyer für Menschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen zu halten und Bedenkenträger in Schranken zu weisen. Für einen Büttenredner war das ungewöhnlich. Trotzdem erntete er keinen Shitstorm. „Ich wollte ausloten, was Fasnacht leisten kann“, sagt der 68-Jährige.
Herr Heizmann, ’s goht dogege, heißt es jetzt in der schwäbisch-alemannischen Fasnacht. Löst das bei Ihnen noch etwas aus?
Ja sicher. Das hat viel mit Erwartung zu tun. Fasnacht ist für mich eine Herzensangelegenheit. Schon meine Mutter und meine Großmutter waren große Fasnachter. Und der Satz signalisiert mir: Jetzt wirst du wieder kreativ.
Seit vielen Jahren sind Sie bei den Konstanzer Narrenkonzerten aktiv. Da waren Sie schon als Hausmeister, Pirat, Dorfschullehrer, verhinderter Tourist auf der Bühne. Wie groß ist eigentlich Ihre Fasnachtskiste?
(Lacht.) Das ist ein Riesenschrank, der bei meinem Bruder steht. Hier bei uns wäre gar kein Platz. Hin und wieder leihe ich mir auch etwas aus dem Fundus des Stadttheaters aus. Da habe ich gute Beziehungen.
Ist eine gute Verkleidung die halbe Miete für eine erfolgreiche Büttenrede?
Früher hatte ich aufwendige Kostüme: ein Märchenerzähler, der Bi-Ba-Butzemann. Je älter ich werde, desto spärlicher werde ich. Ich denke, das Wort muss es bringen. Allerdings: Wenn die Verkleidung geklärt ist, ist schon viel geschafft. Dann beginnt man mit den Augen dessen, den man spielen mag, die Wirklichkeit zu sehen, die Zeitung zu lesen. Man beginnt, so zu schlafen, so zu träumen.
Und diesmal?
Mir ist dieses Mal nichts, aber auch gar nichts eingefallen.
Und dann?
Ich habe so eine Mappe, in die ich Ideen, die mir kommen, einfach hineinschmeiße. Da habe ich hineingeschaut und bin darauf gestoßen, dass ich im Jahr 2002 einmal einen Wirt machen wollte. Ich habe damals aber nach zwölf Zeilen aufgehört, weil ich gemerkt habe, dass es nicht trägt.
Das war jetzt anders?
Diesmal habe ich gedacht: Wirt, du kommst mir grad recht. Jetzt bin ich gespannt und freue mich auf den Vortrag.
Wie schwierig ist es eigentlich, von Deutschlands letztem Zipfele aus ein landesweit interessantes Programm zu machen?
Das ist immer wieder ein Riesenkunststück. Man muss ja bedenken, dass die Kameler und die Niederbürgler zwei winzig kleine Vereine sind, die das mittlerweile schon im 20. Jahr meistern. So lange war das Fernsehen noch nie in einer Stadt. Aber das ist jedes Jahr viel Arbeit. Der SWR schaut natürlich auch auf die Quote, und wenn man die Millionengrenze nicht knackt, ist das ein Problem.
Wie politisch muss eine Büttenrede sein?
Ich glaube, sie muss nicht politisch sein. Sie soll Spaß machen und zum Lachen animieren. Fürs Politische gibt es Profis. Wir haben hervorragende Kabarettisten. Allerdings kann sie im kommunalpolitischen Bereich durchaus politisch werden. Davor darf sie dann auch keine Angst haben.
Trotzdem haben Sie sich im vergangenen Jahr ausführlich zur Flüchtlingsdebatte geäußert. „Seit der Kölner Silvesternacht/ gibt’s jetzt ein Generalverdacht. ( . . . ) Solche Gedanken sind im Kopf/ so überflüssig wie ein Kropf. /Schießt die Pegida auf den Mond/ Damit sich Raumfahrt wieder lohnt.“ Das war doch hochpolitisch.
Ich wollte für mich ausloten: Was kann Fasnacht leisten?
Und was kann sie leisten?
Wir dürfen das Feld nicht den Schreihälsen und Nazis überlassen. Als junge Kerle haben wir die alten Männer gefragt: Was habt ihr im Dritten Reich gemacht? Aber die haben nur vom Krieg erzählt. Ich konnte es nicht mehr hören. Andererseits: Was hätten sie auch anderes erzählen sollen? Sie haben ja sonst nichts erlebt. Wenn mich mal ein Kind fragt, was hast du eigentlich gemacht, als die Flüchtlinge vor der Tür standen, möchte ich nicht sagen müssen: eigentlich nichts. Das wäre mir zu dünn. Deswegen bringe ich mich da ein.
Wie waren die Reaktionen?
Das war sagenhaft. Ich habe Mails ohne Ende bekommen aus allen Landesteilen, sogar aus der Uckermark.
Sie werden es also wieder tun?
Ja sicher. Beim Fasnachtsauftakt am 11. 11. bin ich sogar richtig fuchsteufelswild geworden und habe mich in Rage geredet. „In Dresden geht der Dackel mit der Fackel auf den Wackel“, habe ich da gedichtet. Aber eigentlich möchte ich gar nicht so böse sein. Für mich ist die Fasnacht etwas ausgesprochen Positives. Die Leute sind fröhlich. Man will, dass die Leute lachen. Man will nicht, dass sie bös sind. Ich sehe das theologisch. Im Grunde zeigt Fasnacht, wohin es dereinst mal mit uns gehen wird: dorthin, wo es fröhlich ist.
Meistens ist Fasnacht eher konservativ.
Wenn man an „Mainz bleibt Mainz“ denkt, dann haben Sie Recht: Dieser Willi Scheu, gegen den ist die CSU eine Punkergruppe gewesen. Das ist dann nicht das, was fröhlich macht.
Auch die schwäbisch-alemannische Fasnacht ist vielerorts ausschließend. Ein Araber kommt leichter in die USA als in ein Rottweiler Narrenkleid.
Tatsächlich habe ich ein Problem mit den ganz Traditionellen: Villingen, Rottweil, Überlingen. Das sind ja oft reine Männerbünde. Was mich aber insgeheim freut: In Überlingen haben die Frauen gesagt: Wir machen unseren eigenen Fasnachtsverein. Die nennen sich Löwinnen wegen des Löwens im Stadtwappen, haben schon mehr als 600 Maskenträger und gehen fort auf Umzüge. Bei denen ist etwas los, während die anderen daheim hocken und das Erbe hüten. Es gibt in dieser Fasnacht Nischen, da würde ich mich nicht so wohl fühlen. Aber zum Glück hat sie ein wahnsinnig breites Spektrum.
Dann ist sie weniger traditionell.
Wieso? Nach alter Überlieferung hatte die Narrenmutter sieben Kinder, jedes war von einem anderen. Sie war also eine Schnalle, aber jedes Kind hatte auch eine andere Begabung. Das eine war kreativ, das andere konnte schnitzen und so weiter. So wurde die Fasnacht eine bunte Angelegenheit. In Konstanz gilt das sowieso, weil es 1880 einen Bäcker nach Köln verschlug, der dort den Kölner Karneval sah, wieder kam und sagte: „Das ist der Hammer. Das müssen wir auch machen.“ Und der dann die erste Karnevalsgesellschaft gründete. Bis dahin waren auch wir streng alemannisch.