Marktführer Flixbus bietet Fahrten in viele Länder Europas an. Foto: 58183042

Die Nachfrage nach Fahrten hat mit dem Frühling wieder zugenommen. Doch nach der Pleite des zweitgrößten Anbieters Deutsche Touring beherrscht der Marktführer Flixbus das Geschäft fast nach Belieben.

Berlin - Nach der massiven Reduzierung von Angeboten im vorigen Jahr hat der deutsche Fernbusmarkt in den ersten Monaten 2017 saisonbedingt wieder leicht zugelegt: Von Januar bis April wuchs die Zahl der Linienverbindungen von 241 auf 252, die Hin- und Rückfahrten nahmen von 2862 auf 2989 zu. „Im Frühling vergrößert sich die Zahl der Angebote regelmäßig, weil zum Beispiel mehr Fahrten an die Nord- und Ostsee gefragt sind“, sagte Christoph Gipp, Geschäftsführer des Instituts für Gesundheit und Sozialforschung (Iges) in Berlin.

Mit der Pleite des bisher zweitgrößten Anbieters Deutsche Touring, der seit 1985 mit ausländischen Partnern die Angebotsplattform Eurolines betreibt, setzt sich derweil die rasend schnelle Konzentration im Fernbusgeschäft fort. Insolvenzverwalter Miguel Grosser versucht derzeit in der Firmenzentrale in Eschborn, zu retten, was zu retten ist. „Bisher läuft es ganz gut, fast alle Angebote und Linien sind weiter im Angebot und alle Partner noch an Bord“, sagte sein Pressesprecher Sebastian Brunner. Die Kunden könnten darauf vertrauen, dass gebuchte Fahrten stattfänden. Das gelte insbesondere für das vorläufige Insolvenzverfahren, das drei Monate bis Ende Juni laufen kann.

Der Marktanteil der Deutschen Touring beträgt nur noch 2,4 Prozent

Die bereits 1948 gegründete Deutsche Touring bietet Busreisen von 160 Abfahrtsorten in Deutschland zu rund 900 Zielen in 34 Ländern Europas an. Bei den innerdeutschen Verbindungen ist das Unternehmen, das auch die Busbahnhöfe in Stuttgart und Hannover betreibt, inzwischen die Nummer 2, nachdem die Post vollständig und die Deutsche Bahn zu großen Teilen ihre Fernbuslinien wegen des harten Preiskampfs aufgegeben haben. Der Marktanteil der Deutschen Touring beträgt nach der neuesten Iges-Studie aber aktuell dennoch nur noch 2,4 Prozent. Dagegen konnte Marktführer Flixbus seine dominierende Position noch ausbauen und seinen Marktanteil zwischen Januar und April von 90,8 auf nunmehr 91,6 Prozent weiter steigern. Damit hat das vor allem von US-Finanzinvestoren hochgezogene Unternehmen mit seinem schlagkräftigen Online-Vertrieb und mittelständischen Buspartnern in wenigen Jahren fast den gesamten Markt erobert und selbst etablierte Konkurrenten verdrängt. „In dieser starken Ausprägung und Schnelligkeit war eine solche Konzentration nicht zu erwarten“, sagt Iges-Experte Gipp. Auf dem hiesigen Fernbusmarkt scheint der Boom nun allerdings vorbei zu sein. 2016 wuchs die Zahl der Fahrgäste nur noch um gut vier Prozent auf 24 Millionen, nachdem seit der Deregulierung Anfang 2013 die Nachfrage jedes Jahr gewaltig zugelegt hatte. Gleichzeitig wurden viele weniger lukrative Linien aufgegeben. So schrumpfte die Zahl der innerdeutschen Verbindungen voriges Jahr um 23 Prozent auf noch 246, die Zahl der Fahrten um 475 auf 4110, auch weil die Deutsche Bahn ihren mit großen Ambitionen gestarteten Billiganbieter Berlin Linienbus aufgab und die Postbusse von Flixbus übernommen wurden.

Flixbus hat in Europa keine Konkurrenz mehr zu fürchten

Der Marktführer, der nun nach ähnlichem Muster verstärkt sein Europageschäft ausbaut, hat in Deutschland keine Konkurrenz mehr zu fürchten. Der drittgrößte Anbieter Dein Bus, der mit der insolventen Deutschen Touring erst kürzlich noch eine Kooperation startete, bringt es laut neuesten IGES-Zahlen gerade noch auf 1,6 Prozent Marktanteil bei den angebotenen Fahrkilometern, die Bahn auf mickrige 0,5 Prozent. Entgegen der Ankündigungen habe der Staatskonzern seine IC-Buslinien bisher nicht ausgebaut, so Gipp. So liegen nun das tschechische Bahn- und Busunternehmen Regiojet (1,3 Prozent) und Österreichs Bundesbahn (ÖBB) mit ihren „Hellö“-Fernbussen (0,7 Prozent) vor der früheren Nummer 3.

Iges-Experte Gipp erwartet, dass die Fernbusse in Deutschland in diesem Jahr zumindest wieder 24 Millionen Gäste befördern. Die Konkurrenz durch die Bahn und Billigflieger habe zugenommen. So konnten die Fernzüge ihre Passagierzahl 2016 um 7 Millionen auf 138 Millionen erhöhen, weil die Bahn für ICE- und IC-Züge viele Sonderangebote auflegte. Auch der innerdeutsche Wettbewerb mit Airlines hat sich wieder verschärft, weil Anbieter wie Ryanair inzwischen Verbindungen wie Köln-Berlin für teils unter 20 Euro verschleudern. Damit rücken die ungleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern noch mehr ins Blickfeld. Vor allem die Bahnen sehen sich benachteiligt, weil sie für jeden genutzten Schienenkilometer und Bahnhofshalt zahlen und auch Mineralöl- und Stromsteuern begleichen müssen. Fernbusse dagegen sind bisher von der Autobahnmaut befreit, Airlines zahlen keine Kerosinsteuer.