Nur wer noch nicht schulpflichtig ist darf heute schon verreisen Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Die restliche halbe Schulwoche verlockt Familien mitunter zu einem früheren Aufbruch in die Ferien. Doch in diesem Jahr sind die früheren Flüge nur unwesentlich billiger, und wer erwischt wird, dem droht als Vater oder Mutter gar ein Bußgeld.

Stuttgart - Wer bereits heute im Familienverbund mit schweren Koffern unterwegs ist, macht sich verdächtig. Haben Söhne und Töchter wirklich schon Ferien? Offiziell ist erst am morgigen Mittwoch der letzte Schultag, an dem die meisten Schüler noch bis zur Mittagszeit präsent sein müssen.

Wer heute schon zum Urlaubsziel abhebt, verstößt eindeutig gegen die Schulpflicht. Das Ordnungsamt kann in solchen Fällen ein Bußgeld erheben. Dessen Höhe variiert in den verschiedenen Bundesländern: In einem Fall aus Bayern waren zwei mal 800 Euro fällig, in einem Fall aus dem Ruhrgebiet lediglich 75 Euro.

In Stuttgart hält man Maß. „Weil die Ahndung dieses Verstoßes bei uns in Baden-Württemberg nicht im Schulgesetz verankert ist, stützen wir uns auf das Bundesordnungswidrigkeitengesetz“, sagt Gudrun Frank, die stellvertretende Leiterin der Bußgeldstelle Stuttgart. Dort sind fürs Schulschwänzen bis zu 1000 Euro vorgesehen, doch man bleibt in der Landeshauptstadt gnädig: 150 Euro kostet jeder geschwänzte Tag, maximal aber 300 Euro.

Die Zahl der verhängten Bußgelder halte sich erfahrungsgemäß in Grenzen. „Pro Jahr haben wir weniger als 50 Fälle“, sagt Gudrun Frank. Das sind bei rund 50 000 Schülern der allgemein bildenden Schulen in Stuttgart lediglich ein Promille.

Beim Schulschwänzen gilt die gleiche Regel wie beim Falschparken: Strafe droht nur, wenn man erwischt wird. „Wir machen keine Jagd auf Schulschwänzer. Unsere Aufgabe ist es, die Luftsicherheit zu gewährleisten und die grenzpolizeilichen Kontrollen auszuführen“, sagt der Sprecher der Bundespolizei am Flughafen Stuttgart. Allerdings könne im Zuge der Passkontrolle ein Schulschwänzer in die Maschen der Bundespolizei geraten. Auch hier ist das Risiko, geschnappt zu werden, eher gering. Es sei denn, für das Reiseziel der jeweiligen Familie gelten nicht die Regeln des Schengener Abkommens, zum Bespiel die Türkei. Wer also am heutigen Dienstag oder am Mittwochmorgen nach Antalya fliegt, muss damit rechnen, dass die Bundespolizei nachfragt. Aber auch in diesem Fall droht kein direkter Ärger. Denn die Bundespolizei ahndet das Schulschwänzen nicht im Sinne einer Ordnungswidrigkeit. Sie macht lediglich Meldung bei der jeweiligen Schule der Frühbucher.

In dem Fall kann es sein, dass die Familie mit dem Einverständnis der Schule unterwegs ist: „Bei wichtigen Ereignissen, zum Beispiel bei Familienfesten, genehmigen wir Anträge auf eine Ferienverlängerung um einige Tage“, sagt Renate Schlüter, die Geschäftsführende Schulleiterin der Grund- und Werkrealschulen in Stuttgart.

400 Schüler besuchen die Elise-von-König-Schule in Münster, doch nur vier Anträge habe sie für den Beginn dieser Sommerferien frühzeitig erhalten. „Das ist das Normale, in der Regel ein bis zwei Prozent“, so Schlüter. Zwar habe sie auch schon Anzeige erstattet, aber nur in wenigen Einzelfällen.

Günstigere Flugtickets sind in keinem Fall ein Argument. Weder für Rektoren, noch für Flugkunden. „2014 ist das Ferienzeitfenster im Sommer in ganz Deutschland sehr eng. Fast alle Bundesländer haben im August Schulferien. Da bringt es fast nichts, wenn ich ein paar Tage früher reise“, sagt eine Sprecherin des Reiseveranstalters TUI. Ansonsten könnte es sich schon lohnen, aus einem Bundesland abzureisen, in dem noch keine Ferien seien. Beispiel Pfingsten: Wer in diesem Jahr an Pfingsten vom Saarland aus in den Urlaub gestartet ist, konnte kräftig sparen.

Nach der Notenkonferenz und in den letzten zwei, drei Wochen vor den Sommerferien geschieht doch ohnehin nichts mehr an den Schulen, argumentieren Eltern. Unterricht falle aus, in vielen Stunden würden allenfalls noch Filme geschaut oder gar nichts mehr gemacht. Sabine Wassmer, die Vorsitzende des Gesamtelternbeirats Stuttgart, sagt, das Phänomen betreffe laut der Erfahrung ihres Gremiums alle Schulen.

In der Notenbildungsverordnung ist festgehalten, dass die Zeugnisse an einem der letzten Unterrichtstage vor Ferienbeginn ausgegeben werden müssen. „Daraus ergibt sich letztlich auch eine Frist für die Notenkonferenzen“, heißt es im Kultusministerium. Und die darf nicht zu spät festgesetzt werden: „Wir hatten bis vor zwei Wochen noch drei Abschlussprüfungen, Nachprüfungen und am 18. Juli Zeugniskonferenz. Vergangene Woche habe ich rund 1000 Zeugnisse unterschrieben und für die Schüler haben wir eine Sport- und Kulturwoche veranstaltet“, sagt Renate Schlüter, „das ist ein wichtiges Element im Schulbetrieb.“

Das Kultusministerium vertraut dem Personal: „Die Lehrer sind professionelle Pädagogen, die am besten wissen, wie man diese Zeit sinnvoll und gemeinsam nutzen kann.“

Vielleicht sind die Frühfliegenden, die am Flughafen gesichtet werden, ja ganz und gar zufrieden mit der Schule – und trotzdem nicht dort: Muslime haben nämlich Anspruch auf einen freien Tag während des Zuckerfestes, das gestern Abend begonnen hat.