Der Bismarck-Attentäter Cohen-Blind studierte in Hohenheim Foto: Wikipedia

Der gebürtige Mannheimer Ferdinand Cohen-Blind versuchte am 7. Mai 1866, Otto von Bismarck zu erschießen. So wollte er einen Krieg zwischen Preußen und Österreich verhindern.

Als Bismarck am 18. Januar 1871 in Versailles die Kaiserproklamation verliest, glänzt König Karl von Württemberg, wie auch Ludwig II. von Bayern, durch Abwesenheit. Die Regenten aus dem Süden verbindet neben ihrem Hang zur Muße eine ausgeprägte Feindschaft zu Preußens Ministerpräsidenten. In Württembergs Kreisen ist der reaktionäre Junker verhasst, auch beim König Karl, den er wegen seiner Männerfreundschaften verspottet. Es ist kein Geheimnis, dass der Österreich-treue Karl die Regierungsgeschäfte am liebsten seiner sozial engagierten Frau Olga überlässt. Sie sei, höhnt Bismarck, „der einzige Mann am Hof“.

Fünf Jahre vor der Reichsgründung, im Mai 1866 feierten viele Württemberger einen 22 Jahre jungen Mann als ihren Helden und Märtyrer. Ferdinand Cohen-Blind, zuvor Student in Hohenheim bei Stuttgart, hatte in Berlin fünf Pistolenschüsse auf Bismarck abgefeuert. Der Preuße überlebte fast unverletzt. Sein Attentäter nicht.

„Doch nicht umsonst floss dieses edle Blut / In machen Herzen hat die Tat gezündet / Am großen Beispiel reift der Heldenmuth, / Bis er sich siegend wiederum verkündet“, heißt es in einem Gedicht für Ferdinand Cohen-Blind aus jenen Tagen. Als Autorin zeichnet Marie Kurz, vermutlich die Frau des Publizisten Hermann Kurz, einem 1813 in Reutlingen geborenen Demokraten und Freund Eduard Mörikes.

Ferdinand Cohen-Blind, der viel Gepriesene, wurde später geächtet, im Grunde gilt das bis heute, auch wenn es immer wieder Stimmen gibt, der allgemeinen Bismarck-Verehrung ein Denkmal für den wahren Patrioten Ferdinand Cohen-Blind entgegenzusetzen. Der Historiker Julius H. Schoeps, Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam, hat ihn 1984 mit dem Buch „Bismarck und sein Attentäter“ gewürdigt.

Er will das Schlimmste verhindern

Ferdinand Cohen-Blind wird am 25. Mai 1844 in Mannheim geboren. Seine Mutter Friederike, eine ungewöhnlich couragierte Frau, unterstützt mit dem Geld ihres Mannes Jakob Abraham Cohen die revolutionäre Bewegung von 1848. Bald nach der Geburt ihres Sohnes Ferdinand verliebt sie sich in den radikaldemokratischen Studenten Karl Blind aus Mannheim, neben Friedrich Hecker und Gustav Struve ein führender Achtundvierziger. 1849 heirateten sie, Friederike folgt ihrem Mann mit den Kindern ins Exil nach Paris, Brüssel, London.

1862 kehrt Ferdinand Cohen-Blind, 18 Jahre jung, nach Deutschland zurück, geht zunächst als Gasthörer an die Tübinger Universität und absolviert danach mit vorzüglichen Leistungen sein Studium an der Landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim. Als er im Frühjahr 1866 durch Bayern und Böhmen wandert, fasst er den Entschluss, den Demokratenhasser Bismarck umzubringen, er will das Schlimmste verhindern. Es zeichnet sich bereits ab, dass Bismarck Preußen mit einem Krieg gegen Österreich die Vorherrschaft in Deutschland sichern will. Selbst konservative Verbündete wenden sich von ihm ab.

Schon vor der Berliner Tat hat Ferdinand Cohen-Blind mit dem Leben abgeschlossen. Er habe sich, schreibt er, „das eigene Ich aus dem Herz gerissen“. Doch sei es „wenigstens des Probierens wert, durch das Opfer zweier Leben viele zu retten“. Am 7. Mai 1866, Bismarck kommt gerade von einem Vortrag beim König Wilhelm I., feuert Cohen-Blind auf der Straße Unter den Linden zweimal von hinten auf den Kriegstreiber. Es gibt ein Handgemenge, drei weitere Schüsse fallen.

Bismarck hat Glück: Drei der Geschosse streifen ihn nur, zwei prallen unter seiner ungewöhnlich dicken Winterkleidung an den Rippen ab. Der Attentäter wird festgenommen. Im Polizeipräsidium schneidet er sich mit einem im Taschentuch versteckten Messer die Halsschlagader durch. Morgens um vier Uhr ist er tot. Die preußischen Truppen siegen am 3. Juli 1866 bei Königgrätz gegen die Armeen Österreichs und Sachsens. Bismarcks Weg zur Reichsgründung ist frei.