Stuttgart bekommt ein neues feministisches Festival, das Bitchfest. Warum der Begriff positiv belegt sein soll und was Mädchen und Frauen bei der Veranstaltung im Stadtpalais erwartet.
Zicke, Furie, Flittchen: In Lexika oder im Internet wird der Begriff Bitch zumeist alles andere als schmeichelhaft für eine Frau verwendet. Demnach weist das Wort als tierische Metapher auf die Unkontrollierbarkeit und Aggressivität einer läufigen Hündin hin, und es gibt beispielsweise viele – vor allem männliche – Rapsongs, in denen Bitch derart abwertend verwendet wird. Jennifer Reaves hat hingegen eine ganz andere Definition einer Bitch. Laut, rebellisch, furchtlos und eigen sind Wörter, die sie spontan aufzählt. „So sind wir Frauen doch auch. Das ist doch geil“, sagt sie und verzieht ihre intensiv lila geschminkten Lippen zu einem breiten Lächeln.
Das Festival soll am 7. September im Stadtpalais steigen
Jennifer Reaves ist ein extrovertierter Typ. Sie ist groß, trägt auffällige Kleidung in knallige Farben und aparten Schmuck, sie erzählt ausführlich und doch kurzweilig, und dabei lacht sie laut und viel. Eine echte Erscheinung. Diese Energie will sie auf Geschlechtsgenossinnen übertragen. „Ich möchte anderen Frauen und Mädchen dabei helfen, ihre Stimme zu finden, ihre Bedürfnisse anzuerkennen und sich selbst treu zu bleiben“, und dafür hat sie ein Festival ins Leben gerufen: das Bitchfest. Es soll am 7. September im Stadtpalais steigen. Geplant ist ein ganzer Tag mit Musik und Comedy, mit Shopping, Gastro und Workshops, mit Diskussionsrunden, Kreativangeboten und mehr. „Ich bin Halb-Amerikanerin, bei mir gibt es nichts Kleines“, sagt sie und lacht wieder. Das Bitchfest richtet sich in erster Linie an weibliche Gäste jeden Alters, aber „ich gucke niemandem an der Kasse in die Hose. Wer sich angesprochen fühlt, ist herzlich willkommen“, sagt sie.
Geboren wurde die Idee zum Bitchfest in einer Phase, in der sich die zweifache Mutter aus dem Stuttgarter Norden selbst am eigenen Schopf wieder aus einem tiefen Loch herausziehen musste. Jennifer Reaves ist Veranstaltungskauffrau von Beruf. Viele in Stuttgart und Umgebung kennen sie als ehemalige Geschäftsführerin der Designmesse Blickfang. Anfang 2020 wollte sie eigentlich mit einer neuen Idee durchstarten, als Selbstständige mit dem neuen Designfest. Dann kamen allerdings Corona, Lockdowns, Absagen – und alles ging in die Binsen. „Ich bin von einer hohen Welle ganz nach unten gestürzt“, sagt sie rückblickend. Zum beruflichen Misserfolg gesellten sich private Probleme. Im November 2022 erlitt Jennifer Reaves eine Panikattacke. Burnout.
DIe Workshops sind geplant, ein Logo gibt es auch schon
Die Stärke, die sie mittlerweile auch durch therapeutische Begleitung wiedererlangt hat, will sie nun teilen – mit einem Thema, dass ihr, wie sie sagt, besonders am Herzen liegt, nämlich Female Empowerment. Sprich: Sie will andere Frauen aktivieren, ermutigen und miteinander vernetzen. Geplant sind beim Festival Workshops zu Themen wie Schönheitsideale, Frauen und Finanzen, mentale und körperliche Gesundheit und mehr. Noch ist nicht alles fix. Die Verkaufsstände sind zu mehr als 50 Prozent vergeben, auch die Kursleiterinnen sind noch nicht alle beisammen. Doch ein Bitchfest-Logo gibt es schon: zwei weibliche Brüste, die gemeinsam eine Kirsche formen. „Ein sehr starkes Markenbild, das zum Lächeln bringt“, sagt Jennifer Reaves.
Bitches, Brüste – freilich soll das Ganze auch etwas provozieren und anregen. „Ich freue mich auch auf die Diskussionen mit den Frauen“, sagt die 44-Jährige. Eines ist jedoch klar: Die Bitch ist gekommen, um zu bleiben. Jennifer Reaves will sich als Frau nicht nur den Begriff zurückholen und ins Positive wenden, sie will ihn zur Marke machen. Sie träumt von einer Eventserie, außerdem von Podcasts oder Workshops, die das ganze Jahr über stattfinden. „Meine Vision ist, dass sich Bitchfest zu einem hybriden Medienunternehmen entwickelt. Ich möchte Bitchfest an 365 Tagen zugänglich machen“, sagt sie. Und weiter: „Ich glaube, wir haben genug Bitches hier.“
Weitere Informationen unter www.bitchfest.de