Bei minus 11 Grad lesen die Fellbacher Weingärtner am Montagmorgen doch noch Eiswein. Foto: Eva Herschmann

Erst wurde der Termin zur Eisweinlese abgesagt. Doch weil es in den Morgenstunden immer kälter wurde, entschieden sich die Fellbacher Weingärtner doch noch die gefrorenen Trauben zu lesen.

Fellbach - Thomas Seibold, der Vorsitzende der Fellbacher Weingärtner, ist erleichtert, dass die edelsüßen Trauben in der Kelter sind. „Das mit dem Eiswein hätte auch schiefgehen können. Wer die kalte Nacht nicht genutzt hat, zockt hoch. Es ist schließlich schon weit im Januar. Wir sind jedenfalls froh, dass wir die Gunst der einen Stunde genutzt haben.“ Mit 177 Grad Öchsle sei der Jahrgang 2015 zudem kein „Not-Eiswein“, sondern ein guter Tropfen.

Erst wurde der Termin zur Lese abgesagt

Die Eisweinlese war fast so spannend wie ein Krimi. Nachdem am Samstag – nach Rücksprache mit Meteorologen – eigentlich feststand, dass sich am Montag um 6.30 Uhr die Helfer im Weinberg treffen, wurde der Termin am frühen Morgen abgesagt. Die eigene Wetterstation der Weingärtner hatte um 5.30 Uhr nur minus 5 Grad gemeldet, zu wenig, um die Beeren gefroren zu lesen. „Also habe ich die Listen abtelefoniert und war danach hellwach“, sagt Seibold.

Während er seinen Kaffee trank und die Zeitung las, behielt er das heimische Thermometer im Blick. „Es ging immer weiter runter, ich konnte zuschauen, wie die Temperaturen abstürzen und draußen waren Sterne zu sehen.“ Irgendwann habe er entschieden, in die Weinberge zu fahren . „Das Thermometer im Wengert sagte minus 11 Grad, und ich dachte, vielleicht sollten wir doch lesen. Denn die Prognosen für die nächsten Tage sind auch nicht besser.“ Zunächst musste der Vorsitzende aber seinen Kellermeister Werner Seibold überzeugen. Gemeinsam seien sie noch mal rausgefahren und hätten festgestellt, dass die Trauben zunehmend härter werden.

Genau die richtige Stunde erwischt

Als um 7 Uhr klar war, dass es kalt genug wird, wurden die Lesehelfer, die es sich längst wieder im Bett bequem gemacht hatten, erneut alarmiert. „Zum Glück sind wir alle flexibel“, sagt Seibold. Um 8 Uhr begann die Arbeit im Wengert. Eine Stunde waren die 35 Helfer beschäftigt, dann waren bei minus 11 Grad die jeweils 10 Ar Riesling und Spätburgunder geerntet. Gerade rechtzeitig: Kaum war die Lese beendet, kam die Sonne heraus. „Länger hätten wir nicht brauchen dürfen, sonst wären die Trauben aufgetaut. Wir haben genau die Stunde geschnappt, in der die Temperaturen tief und damit ideal waren.“

So dramatisch sei eine Eisweinlese selten verlaufen, sagt Seibold. „Aber wenn man schon das Risiko eingeht, muss man auch Geduld und Nerven aufbringen.“ Allzu lange hätten die Fellbacher aber nicht mehr warten können. Seibold ist fast sicher, dass die Eisweinlese mit jedem Tag schwieriger wird. „Viele Kollegen haben auch schon aufgegeben, die Trauben geholt und machen Spät- oder Auslese daraus.“

Trauben haben hervorragende Qualität

Bei den Fellbacher Weingärtnern dagegen wird es – allerdings erst zu Weihnachten, weil Eiswein lange gärt – edelsüße Tropfen geben, und zwar jeweils zwischen 400 bis 600 0,375-Liter-Flaschen, sagt Thomas Seibold. Die Qualitäten der Trauben seien durch den heißen und trockenen Sommer hervorragend. „Aber ob es ein so erfolgreicher Jahrgang wird wie der aktuelle 2012er Goldberg Spätburgunder Weißherbst Eiswein, der beim Deutschen Rotweinpreis gewann, müssen wir abwarten.“

Auch im Stettener Weingut Medinger ist am Montagmorgen Eiswein gelesen worden. Vom Riesling in der Lage Häder kamen 50 Liter mit 140 Grad Öchsle zusammen.